Was die Urherberrechtsdebatte vom Fall Guttenberg lernen kann

Januar 21st, 2012 § 5 comments § permalink

Dies als Nach­trag zu mei­nem Rant zum Urhe­ber­recht: Über­ra­chen­der­wei­se ist es gera­de der Fall Gut­ten­berg, der die Debat­te um das Urhe­ber- und Ver­wer­tungs­recht vor­an brin­gen kann. Aus zwei Gründen:

  1. Lässt sich dar­an ermes­sen dass „die Netz­ge­mein­de“ nicht aus einer wild gewor­de­nen Hor­de von Ideen­die­ben besteht. Viel­mehr zeig­te sich eine erheb­lich grö­ße­re Sen­si­bi­li­tät für den miss­bräuch­li­chen Umgang mit geis­ti­gem Eigen­tum, als etwa an deut­schen Hoch­schu­len oder bei der blei­er­nen Kanz­le­rin. Schließ­lich tat sich „die Netz­ge­mein­de“ zusam­men, um Gut­ten­berg das nicht-ver­link­te (sprich: mit Quel­len­an­ga­be in Fuß­no­te ver­se­he­ne) Sam­pling frem­der Inhal­te nach­zu­wei­sen. Die Off­line-Gemein­de wird es viel­leicht über­ra­schen: Aber der Ideen­klau ist im Netz nicht akzeptiert.
  2. Ist es zunächst über­ra­schend, dass Gut­ten­berg von der Ver­wer­tungs­in­dus­trie, d.h. den Inha­bern der Ver­wer­tungs­rech­te der von ihm gesam­pel­ten Wer­ke, nicht abge­mahnt, auf Scha­dens­er­satz oder Ver­nich­tung sei­nes Sam­plers (vul­go: Dis­ser­ta­ti­on) ver­klagt und ver­ur­teilt wur­de, wie es die Ver­wer­tungs­in­dus­trie bei jedem ande­ren geis­ti­gen Werk – ins­be­son­de­re bei musi­ka­li­schen und fil­mi­schen » Read the rest of this entry «

Warum das aktuelle Urheberrecht den Urhebern nichts nützt — und wer sie wirklich ausplündert (wenn nicht die Netznutzer) {Updated}

Januar 21st, 2012 § 13 comments § permalink

Ein vor­ges­tern auf dem D64-Blog erschie­ne­ner Arti­kel zum Urhe­ber­recht ver­dient es, nicht nur ver­linkt, son­dern (in durch­aus pole­mi­scher Absicht) ergänzt und fort­ge­führt zu wer­den. Die Autoren for­cie­ren die auch hier im Blog bereits hin­läng­lich aus­ge­führ­te Unter­schei­dung zwi­schen Urhe­bern und Ver­wer­tungs­in­dus­trie, um die Debat­te über das Urhe­ber­recht in die kor­rek­ten Kate­go­rien ein­zu­ord­nen. Dass die Ver­tei­di­ger des gegen­wär­ti­gen soge­nann­ten Urhe­ber­rechts still­schwei­gend vor­aus­set­zen, dass mit dem Urhe­ber- auch das Ver­wer­tungs­recht erhal­ten blei­ben muss, die Ver­tei­di­gung der Künst­ler und „Krea­ti­ven“ auf ihre Fah­ne schrei­ben, wäh­rend sie eigent­lich die wirt­schaft­li­che Pfrün­de ihrer eigen Unter­neh­men zu sichern suchen, ist der eigent­li­che Skan­dal der Dis­kus­si­on, der es so schwie­rig macht, auf einen gemein­sa­men Nen­ner zu kom­men. Er ver­an­lasst nicht weni­ge soge­nann­te Krea­ti­ve oder Künst­ler, sich auf Sei­ten derer zu schla­gen, die von ihrem Schweiß und ihren Ideen leben – der Ver­wer­tungs­in­dus­trie. Denn die Krea­ti­ven glau­ben, die­se Indus­trie ernäh­re sie. In Wahr­heit ist es anders her­um: Die Ver­wer­tungs­in­dus­trie ist die Zecke im Nacken der Kreativen.

Hört man die öffent­lich eher jam­mer­vol­len, in kon­kre­ter Aus­ein­an­der­set­zung durch­aus bra­chia­len Vor­trä­ge der Ver­wer­tungs­in­dus­trie, könn­te es schei­nen, als wür­den die Bau­ern die Erhö­hung der Milch­prei­se for­dern, um den Kühen ein bes­se­res Leben zu besche­ren. Oder die Kürsch­ner, um ihren Pelz­spen­dern das Leben zu ermög­li­chen – wo sie doch davon leben, eben die­sen Tier­chen das Fell über die Ohren zu zie­hen. Dar­in den Kunst­ver­wer­tern nicht unähn­lich. Es mag » Read the rest of this entry «

Zu Lobos Spon-Artkel: Wem nützt die VW-Blackberryabschaltung?

Dezember 27th, 2011 § 2 comments § permalink

Mit einem ori­gi­nel­len Vor­schlag mischt sich der Publi­zist Sascha Lobo in die Debat­te rund um Berg­leu­te, die zuneh­mend über Licht­man­gel und Staub­lun­gen bekla­gen und wirft ihnen fröh­lich das Mot­to zu: Geht doch mal raus aus den Flö­zen und an die fri­sche Luft.

Ein Scherz. Es geht hier zum zig­tau­sends­ten Mal um den Zusam­men­hang von elek­tro­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ins­be­son­de­re Smart­phones mit Über­las­tungs- und Erschöp­fungs­phä­no­me­nen, die unter dem völ­lig aus­ge­frans­ten, über­stra­pa­zier­ten und dann wie­der völ­lig bestrit­te­nen Kon­zept des „Burn Out“ durch die Medi­en gehetzt wer­den. Anlass für Lobos dün­nes Text­chen ist die­se Mel­dung, dass der VW-Betriebs­rat eine Betriebs­ver­ein­ba­rung erwirkt hat, dass die Black­ber­ry-Ser­ver der Unter­neh­men eine hal­be Stun­de nach Ende der Gleit­zeit abge­stellt und erst eine Hal­be Stun­de vor ihrem Beginn wie­der ange­schal­tet wer­den. Das Pro­blem an Lobos Text ist, dass er zwar über digi­ta­le Tech­no­lo­gie und ihre Nut­zung weiß, was es zu wis­sen gibt – zugleich aber kein Ver­ständ­nis orga­ni­sa­ti­ons­in­ter­nen Zusam­men­hän­ge hat. Des­we­gen lohnt sich eine kur­ze Erör­te­rung, wie die VW-Ver­ein­ba­rung für betrieb­li­che Effi­zi­enz und zugleich zur Redu­zie­rung des Stress­le­vels in viel höhe­rem Maße sorgt als etwa Lobos „Ein­fach mal abschal­ten“ Emp­feh­lung — und wes­we­gen sie folg­lich viel näher an den von Lobo gefor­der­ten “rich­ti­gen Gebrauch” her­an­rei­chen, als sein » Read the rest of this entry «

Machen Datenschützer Facebook platt — oder eben doch nicht?

Dezember 9th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Machen Datenschützer Facebook platt — oder eben doch nicht? § permalink

Bei Nico Lum­ma (dis­clo­sure: Mit dem zusam­men ich zu den Grün­duns­mit­glie­dern von D64 – Zen­trum für digi­ta­len Fort­schritt gehö­re) fin­det sich heu­te hier ein sehr pro­non­cier­ter Blog­post zu der gest­ri­gen Erklä­rung des Düs­sel­dor­fer Krei­ses, des Zusam­men­schlus­ses aller Daten­schutz­be­hör­den der Län­der, die hier nach­zu­le­sen ist.

Zwi­schen­be­mer­kung: Wie­wohl beruf­lich mit Face­book beschäf­tigt, feh­len mir umfas­sen­de tech­ni­sche Hin­ter­grün­de, die mich zu einem tat­säch­lich fun­dier­ten Stand­punkt hin­sicht­lich der Fra­ge befä­hi­gen, was wo wie Face­book mit den durch Inte­gra­ti­on sei­ner Social Plug­ins wie des Like-But­tons tat­säch­lich für Daten sam­melt und wie die­se Daten genau ver­wer­tet wer­den. So weit ich sehe, gibt es eini­ge, die dazu durch­aus fun­dier­te­res Wis­sen haben, lese ich aber die Erklä­rung der Daten­schüt­zer, scheint auch selbst in die­sem Kreis nie­mand wirk­lich genau zu wis­sen, was Face­book damit tut. Es heißt dort, dass „Anbie­ter deut­scher Web­sites, {…} in der Regel kei­ne Erkennt­nis­se über die Daten­ver­ar­bei­tungs­vor­gän­ge haben kön­nen, die bei­spiels­wei­se durch Social Plug­ins aus­ge­löst wer­den …“. Zu einem gro­ßen Teil speist sich also die Vehe­menz der Debat­te auch aus der Tat­sa­che der man­geln­den Trans­pa­renz, die auf der einen Sei­te zu der Unter­stel­lung miss­bräuch­li­cher oder bös­wil­li­ger Ver­wen­dung füh­ren, auf der ande­ren Sei­te zu einem „die wer­den schon nicht“ füh­ren muss. Ende der Zwischenbemerkung.

Lum­ma schüt­tet in sei­nem Blog­post das Daten­schüt­zer­kind mit dem Bade aus – und das repro­du­ziert sich in den Kom­men­ta­ren zu sei­nem Pos­ting. Da es mei­nes » Read the rest of this entry «

Das Thalia und die Spiel(plan)verderber 2: Durch Leiden wird man Demokrat

Dezember 5th, 2011 § 1 comment § permalink

Inter­es­san­tes tut sich rund um die soge­nann­ten Demo­kra­ti­sie­rungs­ver­su­che des Tha­lia Thea­ters – und es beginnt ein Thea­ter rund um das Thea­ter, das ver­mut­lich weit­aus inter­es­san­ter ist als die Fra­ge, was denn am Ende wirk­lich gewin­nen wird.  Natür­lich ist Klug­scheis­se­rei hin­ter­her ein­fa­cher als die soli­de Orga­ni­sa­ti­on eines Par­ti­zi­pa­ti­ons­pro­zes­ses – die­se Ein­fach­heit erlau­be ich mir eben­so wie das Recht, mei­ne anfäng­li­che Beein­druckt­heit jetzt der nüch­ter­nen Betrach­tung wei­chen zu las­sen. Denn zu beob­ach­ten ist hier zunächst ein zukünf­ti­ger Lehr­buch­fall miss­ver­stan­de­ner Demo­kra­ti­sie­rung, den zu betrach­ten sich lohnt jen­seits der blo­ßen und letzt­lich ziem­lich irrele­van­ten Fra­ge, was an eini­gen Aben­den in einem Ham­bur­ger Thea­ter dem­nächst läuft. Zudem ist hier das eigent­lich ers­te Erschei­nen eines zukunfts­träch­ti­gen Thea­ters fest­zu­stel­len, von dem am Ende die­ses Pos­tings zu han­deln sein wird.

Das Pro­jekt: Mehr Demo­kra­tie gewagt – oder nur Lux und Dollerei?

Das Tha­lia beschreibt die Akti­vi­tät als Demo­kra­ti­sie­rung eines Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­mens. Der Inten­dant äußert hier im Inter­view sein Inter­es­se dar­an, was denn das Publi­kum wirk­lich sehen will – und sei es Har­ry Pot­ter. Anders lie­ße sich beschrei­ben: Die von einem demo­kra­ti­schen Gemein­we­sen – der Stadt Ham­burg – als ver­ant­wort­li­che Lei­ter einer städ­ti­schen Ein­rich­tung Ein­ge­setz­ten ent­zie­hen sich ein Stück weit der ihnen vom Gemein­we­sen zuge­wie­se­nen Auf­ga­be der inhalt­lich-kon­zep­tio­nel­len Aus­rich­tung die­ser Insti­tu­ti­on und der damit ver­bun­de­nen Ver­ant­wor­tung der von den Bewoh­nern des Gemein­we­sens auf­ge­brach­ten Finanz­mit­tel. Man lässt eine nicht begrenz­te und unde­fi­nier­te Grup­pe von Men­schen dar­über ent­schei­den, was statt­fin­den soll. Wir spie­len, was irgend­wer will.  Was auch immer, wer auch immer. Es muss nur eine aus­rei­chend gro­ße Zahl von Stim­men zusam­men­kom­men. Man könn­te die Bewoh­ner Ham­burgs eben­so gut dazu ver­pflich­ten, Regen­schir­me auf­zu­span­nen, wenn es in Aus­tra­li­en reg­net. Die Fremd­be­stim­mung durch die – sich selbst als unde­mo­kra­tisch ver­ste­hen­de – Thea­ter­lei­tung wird poten­zi­ell abge­ge­ben in eine ande­re Fremd­be­stim­mung durch irgendwen.

Was heißt demo­kra­ti­sche Ent­schei­dung? Wer ent­schei­det was für wen in demo­kra­ti­schen » Read the rest of this entry «

Commerzbankchef findet: Anleger haben zu viel Geld {Updated)

Oktober 30th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Commerzbankchef findet: Anleger haben zu viel Geld {Updated) § permalink

In einer Zeit, da Medi­en und ver­öf­fent­lich­te Poli­ti­ker sich die Schlag­zei­len und Näch­te um die Ohren hau­en, um ver­schul­de­ten Län­dern Geld zur Ver­fü­gung zu stel­len, ist das fol­gen­de, gera­de hier auf SpOn gefun­de­ne Zitat des Com­merz­bank­chefs Bles­sing von skur­ri­ler Interessanz:

Es gebe außer­dem im Moment zu viel Liqui­di­tät im Markt, sag­te Bles­sing, “und des­halb sehr vie­le Anla­ge­gel­der. Wir müs­sen zuse­hen, wie wir lang­sam wie­der Liqui­di­tät aus dem Markt neh­men können”.

Das Pro­blem der Märk­te scheint nach Bles­sing also zu sein, dass Com­merz­bank-Kun­den — denn das sind die Anle­ger — über zu viel Geld ver­fü­gen. Das Pro­blem ist also nicht etwa Knapp­heit von Geld (wie man­che zu glau­ben schei­nen, die sich » Read the rest of this entry «

Von der Internation zur Netion: Überlegungen zum Raum des Politischen und zur postdramatischen Opensourcokratie

August 18th, 2011 § 4 comments § permalink

In der neu­es­ten ARD/ZDF-Online­stu­die bin ich über einen Ver­tip­per gestol­pert, der mir sehr gefiel:

Nicht nur die gele­gent­li­che zeit­ver­setz­te Nut­zung von Fern­seh­sen­dun­gen oder Aus­schnit­ten dar­aus via Inter­nat hat sich seit 2008 von 14 Pro­zent auf 29 Pro­zent ver­zwei­facht, … (hier Sei­te 4f.)

Das „Inter­nat“ ist ein wun­der­ba­res Bild für die tra­di­tio­nel­le, doku­ment­ba­sier­te Nati­on: Räum­li­ches Zusam­men­woh­nen unter Auf­sicht von Auto­ri­tä­ten, Zugangs- und Aus­gangs­be­schrän­kun­gen und auto­ri­tä­re Fest­le­gun­gen sowohl der For­men und Regeln sowohl des Zusam­men­le­bens als auch des­sen, was zu leh­ren und zu ler­nen, zu wis­sen und zu kön­nen ist. Die Nati­on war (und ist noch) ein Inter­nat, Inter­na­tio­na­li­tät die Zusam­men­ar­beit von Inter­na­ten. (N.B.: Viel­leicht ist es gar kein Zufall, dass die erfolg­reichs­te Roman­se­rie der letz­ten Jah­re gera­de in einem Inter­nat spielt, einem letz­ten zau­ber­haf­ten Traum die­ser nur noch als his­to­ri­sche Wohl­fühl­re­mi­nis­zenz tau­gen­den Lebens­form). Die Leit­dif­fe­ren­zen, die die­ses Inter­nat aus­mach­ten, wer­den nun von der Inter­ne­tio­na­li­tät kas­siert: Raum­gren­zen, Auto­ri­täts­po­si­tio­nen, ver­bind­li­che Regeln und Wahr­hei­ten fin­den sich nicht vor-geschrie­ben in der Neti­on. Weni­ger Orga­ni­sa­ti­on, ist sie eher Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on oder Auto­poie­sis. Die herr­schen­de Lehr­mei­nung wird zur geteil­ten Mei­nung, die ver­bind­li­che Erzäh­lung wird, wie letz­tens geschrie­ben, in einem Geflecht von Erzäh­lun­gen auf­ge­löst, die zwar noch erzählt wer­den, für die es aber immer schwie­ri­ger wird, sich durch­zu­set­zen. Noch mag zeit­ver­setz­tes Anse­hen der Mas­sen­me­di­en einen Rest sol­cher Erzähl­macht im Inter­nat zei­gen. Aber – aller litan­ei­haft wie­der­hol­ten Beteue­run­gen in der ARD/ZDF-Stu­die zum Trotz – es wird mehr und meh­re eine Erzäh­lung unter vie­len ande­ren. In der Stu­die heisst es auch (hier auf Sei­te 15):

Wenn es dar­um geht, ein Mas­sen­pu­bli­kum zu mobi­li­sie­ren, reicht kein Medi­um an das Fern­se­hen heran.

Das ist natür­lich eine wun­der­ba­re Ver­dre­hung der Tat­sa­chen – denn Mas­sen­me­di­en mobi­li­sie­ren natür­lich nicht wirk­lich. Es reicht viel­mehr kein ande­res Medi­um an die Fähig­keit der Mas­sen­me­di­en her­an, die Mas­sen zu immo­bi­li­sie­ren. Man sitzt still im Inter­nat ein­ge­sperrt und glotzt fern.

End­li­che und unend­li­che Diskussion

Zu den Kern­fä­hig­kei­ten der immo­bi­li­sie­ren­den Inter­na­ti­on gehör­te es, Dis­kus­sio­nen dra­ma­tisch auf­zu­be­rei­ten, auf den binä­ren Ent­schei­dungs­punkt zuzu­spit­zen und dann durch Ent­schei­dung zu been­den. Die Viel­falt des Stim­men- und Erzäh­lungs­ge­wirrs ist nichts Neu­es. Die Inter­na­ti­on führ­te nur einen Pro­zess ein, der eben die Grau­tö­ne in Schwarz/Weiß über­führ­te und dann Schwarz oder Weiß, Schwarz oder Rot als Kern­al­ter­na­ti­ven her­aus­stell­te. Die­se Reduk­ti­on fand ins­be­son­de­re über die mög­lichst öffent­li­che Debat­te (in Par­la­men­ten oder Mas­sen­me­di­en) statt. Erst wird debat­tiert, dann kann abge­stimmt wer­den. Und damit ist fest-gesetzt was Gesetz wird. Die­se Fähig­keit eig­net der Neti­on nicht, in der die Debat­ten aus­ufern durch ten­den­zi­ell unend­li­che Ver­meh­rung der Debat­ten­teil­neh­mer, Debat­ten­platt­for­men und Debat­ten­bei­trä­ge. Das ist das Pro­blem, das sich mit der ent­ste­hen­den Neti­on auf­tut und das nicht ein­fach » Read the rest of this entry «

Von der dokumentarischen Erzählung zur Spekulation: Börsencrashs, Medienhypes, Ende des Dramas

August 14th, 2011 § 2 comments § permalink

Von dem weiss­gar­nix-Mit­blog­ger Frank Lüb­ber­ding ist in der FAZ hier  ein Arti­kel zu lesen, in dem er mit gewis­ser Wut Medi­en Mit­schuld gibt an den Ver­wer­fun­gen an der Bör­se. Dabei scheint er die­se Behaup­tung ansatz­wei­se für unge­heu­er­lich oder skan­da­lo­gen zu hal­ten. Mit einer For­mu­lie­rung, die hier aus dem Blog stam­men könn­te, schreibt er:

Die Finanz­märk­te wer­den aber als ein […] Dra­ma insze­niert. […]Die Medi­en lau­schen jedem State­ment und posau­nen es in die Welt. Um die inhalt­li­che Rele­vanz sol­cher Stel­lung­nah­men geht es nicht. Die größ­te Posau­ne in die­sem Orches­ter ist der Online-Ticker. […]  Jedes Kata­stro­phen-Sze­na­rio bekommt sei­ne Plau­si­bi­li­tät, weil es mit den Erwar­tun­gen des Publi­kums über­ein­stimmt. Es ist süch­tig gewor­den nach Neu­ig­kei­ten. So machen die Medi­en aus der Vola­ti­li­tät eines Han­dels­ta­ges ein Dra­ma, das sich bes­tens ver­mark­ten lässt

Und als eine Art Quint­essenz lässt sich lesen:

Medi­en und Märk­te leben in einer sym­bio­ti­schen Beziehung.

Das klingt nach einer klu­gen Ein­sicht – aber das Rab­bit Hole geht tie­fer, als Lüb­ber­ding zumin­dest an die­ser Stel­le andeu­tet. Es ist kein Zufall, dass der Begriff der Spe­ku­la­ti­on sowohl in der  Finanz­welt wie in der Medi­en­welt gera­de als Gesamt­zu­stands­be­schrei­bung die­nen kann. Sowohl die media­le als auch die finanz­markt­li­che Spe­ku­la­ti­on lässt sich von unsor­tier­ten Neu­ig­kei­ten (Lüb­ber­dings Live-Ticker) und Gerüch­ten zum Han­deln ver­lei­ten. Der Bör­sia­ner kauft oder ver­kauft, der Jour­na­list haut eine ver­kauf­ba­re oder nicht-ver­kauf­ba­re Mel­dung raus.

Märk­te und Medi­en – und Politik

Das selt­sa­me sin­gu­la­re tan­tum „die Märk­te“ lebt mit dem ande­ren sin­gu­la­re tan­tum „die Medi­en“ nicht nur in einer sym­bio­ti­schen Bezie­hung. Viel­mehr sind media­le und märkt­li­che Spe­ku­la­ti­on letz­ten Endes das­sel­be. „Die Märk­te“ reagie­ren auf Mel­dun­gen der Medi­en. Es gibt kei­nen Trad­ersaal ohne Ticker und Lauf­bän­der, die aus Medi­en­in­hal­ten gespeist wer­den. Ähn­lich den ein­ge­blen­de­ten Akti­en­kur­sen fun­gie­ren die durch­lau­fen­den Mel­dun­gen aus den unter­schied­li­chen Quel­len und Ecken der Welt als Hand­lungs­grund­la­ge für Trader. „Die Märk­te“ hän­gen ab von „den Medi­en“. Zugleich lie­fern sie wie­der­um Mel­dun­gen für „die Medi­en“. Gera­de in schein­bar kri­sen­haf­ten  Situa­tio­nen wie in den letz­ten Wochen kon­zen­trie­ren sich „die Medi­en“ auf die Han­dels­ver­läu­fe an der Bör­se. „Der DAX“ wird mit sei­nen Bewe­gun­gen zum Haupt­ge­gen­stand der Live-Ticke­rei. Dabei ist der DAX sel­ber nichts als ein kom­mu­ni­ka­ti­ons­er­mög­li­chen­des Kon­strukt. Wie ande­re Indi­ces auch, bil­det er eine mehr oder min­der zufäl­li­ge Aus­wahl von Unter­neh­mens-Akti­en­wer­ten ab und gene­riert damit einen zeit­lich dar­stell­ba­ren Ver­lauf. Er hat kei­ne Aus­sa­ge – es sei denn, er wird in eine Erzäh­lung inte­griert. Die Erzäh­lung der gesamt­wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on und Ent­wick­lung etwa. Die­se Erzäh­lung erzäh­len „die Medi­en“. Und sie erzäh­len sie im poli­ti­schen Umfeld und lei­ten dar­aus Hand­lungs­auf­for­de­run­gen an „die Poli­tik“ ab. Etwa die­je­ni­ge, die Staats­ver­schul­dung zu korrigieren.

Die “Ent­kopp­lung von der Realwirtschaft”

Gele­gent­lich lässt sich in Kom­men­ta­ren die Dia­gno­se oder die Kri­tik lesen und hören, dass „die Märk­te“ sich von der Real­wirt­schaft abge­kop­pelt hät­ten. Dar­in schwingt die Erwar­tung mit, dass der Akti­en­wert eines Unter­neh­mens gefäl­ligst sei­ne wirt­schaft­li­che Situa­ti­on wie­der zu spie­geln habe. Als wäre der Akti­en­wert eine Art Wirt­schafts­ther­mo­me­ter, das in einer quan­ti­fi­zier­ten Anga­be unum­stöß­lich zeigt, wel­chen Wert ein Unter­neh­men hat. So naiv das schon immer gewe­sen sein mag – die­se Kop­pe­lung ist nur eine der mög­li­chen Kop­pe­lun­gen. Not­wen­dig war und ist sie nicht. Denn der Wert einer Aktie wird nicht von einer Rating­kom­mi­si­on bestimmt, son­dern von Han­deln­den Akteu­ren, die den Preis der Aktie unter sich aus­ma­chen. Die gele­gent­li­che auf­ge­reg­te Ver­blüf­fung, dass Kur­se „fun­da­men­tal gesun­der“ oder „grund­so­li­der Unter­neh­men“, die viel­leicht sogar kon­stan­ten Gewinn abwer­fen, sinkt, wäh­rend Phan­ta­sie­un­ter­neh­men wie die­je­ni­gen der High­tech-Bubble vor der Jahr­tau­send­wen­de, ins Uner­mess­li­che stei­gen, zeigt die noch vor­han­de­ne Nai­vi­tät bei eini­gen Beob­ach­tern. Sie sind den alten Erzähl­for­men noch ver­haf­tet. Sie glau­ben noch an das Drama.

Die Macht der Erzählung

In der Hoch­zei­ten der Doku­ment­ge­sell­schaft war es Auf­ga­be der Mas­sen­me­di­en, nicht nur die als Nach­rich­ten zu prä­sen­tie­ren­den Gescheh­nis­se aus­zu­wäh­len, son­dern ins­be­son­de­re auch, eine Geschich­te dar­aus zu gene­rie­ren, die sich von „Aus­ga­be zu Aus­ga­be“ (der Zei­tung, der Radio- oder Fern­seh­nach­rich­ten­sen­dung) wei­ter erzäh­len ließ. Die­se Geschich­te setz­te aus Gescheh­nis­sen an und lei­te­te dar­aus Vor­bli­cke auf mög­li­cher­wei­se Gesche­hen­des bzw. For­de­run­gen an die Akteu­re ab, wie denn zu han­deln sei. Im Cha­os des All­tags sorgt das Medi­um für Ori­en­tie­rung. Aus den Hand­lungs­for­de­run­gen wird Druck auf ver­ant­wort­li­che poli­ti­sche Akteu­re gene­riert, indem man sich der will­fäh­ri­gen Oppo­si­ti­on bedient. Irgend­ei­ner von denen wird schon etwas for­dern, das in die media­le Sto­ry passt.

Die­se Erzähl­kunst war auch im Bereich der Bör­se gefragt. Die Kurs­be­we­gun­gen soll­ten von Zei­chen­deu­tern – den Augu­ren der römi­schen Anti­ke durch­aus ver­gleich­bar – auf­ge­nom­men und in eine Erzäh­lung ein­ge­fügt wer­den. Es sind die Erzäh­lun­gen, die jeden Abend in den Bör­sen­be­richt­erstat­tun­gen der Fern­seh­ka­nä­le statt­fin­den, eben­so die Erzäh­lun­gen in den » Read the rest of this entry «

Einladung zur Diskussion auf Nachtkritik

August 2nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Einladung zur Diskussion auf Nachtkritik § permalink

nachtkritik.de hat heu­te mor­gen hier einen län­ge­ren Text von mir zur Debat­te um das Stadt­thea­ter ver­öf­fent­licht, den unter ande­rem Dirk Bae­cker hier kom­men­tiert hat. Dar­auf wie­der­um eini­ge Anmer­kun­gen von mir zurück. Ich ver­wei­se hier nur auf nacht­kri­tik und lade zur dor­ti­gen Dis­kus­si­on ein.

Der Machtverlust der Regierungen — Jasminrevolutionen und Rettungsschirme

Juli 12th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Der Machtverlust der Regierungen — Jasminrevolutionen und Rettungsschirme § permalink

Scheint es nur mir so — oder geht es nicht gera­de den Regie­run­gen der west­li­chen “kapi­ta­lis­ti­schen” Indus­trie­na­tio­nen in ähn­li­cher Wei­se an den Macht­kra­gen, wie den Regie­run­gen Nord­afri­kas? Erle­ben wir gera­de eine unum­kehr­ba­re Macht­ero­si­on, die nicht nur bestehen­de Macht­struk­tu­ren aus­he­belt, son­dern zugleich unab­seh­bar macht, wel­che Regie­rungs- oder Macht­form danach kommt?

Auf der einen Sei­te des Mit­tel­mee­res erle­ben Regie­run­gen eher des­po­ti­scher Natur, wie sich die selbst­be­wuß­ter wer­den­de Bevöl­ke­rung nicht nur mit Unmut zu Pro­tes­ten ein­fin­det, son­dern sich in einer Wei­se unter­ein­an­der und mit klas­si­schen Mas­sen­me­di­en wie Al Jaze­era ver­netzt, dass weni­ge Wochen aus­rei­chen, um sta­bi­le Dik­ta­tu­ren zu zer­trüm­mern, die Herr­scher außer Lan­des oder auf die Ankla­ge­bän­ke zu bekom­men — und den Auf­stand wei­ter zu ver­brei­ten jen­seits der Landesgrenzen.

Auf der ande­ren Sei­te wer­den eini­ger­ma­ßen demo­kra­tisch gewähl­te » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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