Ist dem Stadttheater noch zu helfen?

Juli 5th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Ist dem Stadttheater noch zu helfen? § permalink

Auf nacht­kri­tik erschien vor eini­gen Tagen ein Dis­kus­si­ons­bei­trag von Mat­thi­as von Hartz (auch abge­druckt im Thea­ter der Zeit Arbeits­buch „ Heart of the City – Recher­chen zum Stadt­thea­ter der Zukunft“), der sich mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Stadt­thea­tern und soge­nann­ten frei­en Thea­tern aus­ein­an­der­setz­te und mehr oder min­der erst gemein­te Lösungs­an­sät­ze für die von ihm kon­sta­tier­te Kri­se des deut­schen Stadt­thea­ter­sys­tems präsentierte.

Wer die­ses Blog hier ein wenig mit­ver­folgt, wird erwar­ten, dass hier sowohl sei­ne Zustands­be­schrei­bung als auch die prä­sen­tier­ten Lösungs­an­sät­ze als bei wei­tem nicht grund­le­gend genug betrach­tet wer­den. In den Pos­tings zum Tod des Stadtt­ha­ters (Teil 1, Teil 2, Teil 3) dem Sie­chen von Thea­tern und Kri­tik (hier) und dem zuletzt hier gepos­te­ten Lösungs­vor­schlag war ich der Situa­ti­on eben­falls nach­ge­gan­gen – mit aller­dings eini­gen ande­ren Konsequenzen.

Was sagt von Hartz

Von Hartz zieht die Dif­fe­renz zwi­schen Stadt­thea­tern und Frei­en Grup­pen, kon­sta­tiert, dass „Inno­va­tio­nen“ im Wesent­li­chen aus der frei­en Sze­ne kämen und schließt dar­aus, dass die unter­fi­nan­zier­ten Frei­en Grup­pen mehr Geld bekom­men müss­ten. Dabei ist sei­ne Pro­blem­be­schrei­bung durch­aus „dra­ma­tisch“. Es gehe, schreibt er, letzt­lich „ um Ent­wick­lung und Über­le­ben des gesam­ten Medi­ums“. Er kon­sta­tiert, dass zwar  90% der öffent­li­chen Mit­tel in die Stadt­thea­ter­sys­te­me flie­ßen, die „Inno­va­tio­nen“ hin­ge­gen zu 90% aus den gering finan­zier­ten „armen“ frei­en Grup­pen kämen.

Das Inter­es­se des Stadt­thea­ters sei dabei weni­ger die Zukunft des Thea­ters, son­dern das eige­ne Über­le­ben als Insti­tu­ti­on, das als Insti­tu­ti­on eben zunächst am Fort­be­stand und an der öko­no­mi­schen Nut­zung der eige­nen Res­sour­cen inter­es­siert sei. Die Struk­tur der Insti­tui­ti­on bestim­me, wel­che Art von Thea­ter pro­du­ziert wird. In einer For­mu­lie­rung, die auch hier aus dem Blog stam­men könn­te, stellt er fest:  „Über die Jahr­hun­der­te ist so eine Fabrik ent­stan­den, die sehr pro­fes­sio­nell und spe­zia­li­siert ein sehr gutes Pro­dukt her­stellt.“. Aus­führ­li­cher und pointiert:

Inter­es­sant ist, dass die Pro­ble­me am Stadt­thea­ter nicht nur durch Men­schen oder Din­ge ent­ste­hen, die ein Künst­ler braucht und die es dort nicht gibt. Son­dern auch durch die Pro­duk­ti­ons­mit­tel, die vor­ge­hal­ten wer­den, die man aber nicht benutzt. Also: Wer nicht probt oder kei­ne Schau­spie­ler für sei­ne Arbeit braucht, pro­du­ziert Leerstand.

Von der Insti­tu­ti­on zum Inhalt

Im Ver­lauf sei­nes Tex­tes durch­aus unver­mit­telt fällt von Hartz dann aus der insti­tu­tio­nel­len in die inhalt­li­che Kri­tik, die durch sei­ne vor­he­ri­gen Aus­füh­run­gen nicht vor­be­rei­tet ist:

Als Thea­ter­be­su­cher wün­sche auch ich mir, dass die Insti­tu­ti­on sich mit » Read the rest of this entry «

Die Massen der Medien

Juni 16th, 2011 § 3 comments § permalink

Rolf Todes­co hat einen inter­es­san­ten Text zum The­ma Mas­sen und Mas­sen­me­di­en geschrie­ben (hier).Dabei defi­niert er Mas­sen­me­di­en folgendermaßen:

Als Mas­sen­me­di­en bezeich­ne ich Zei­tun­gen, Radio, Fern­se­hen, usw., also jour­na­lis­ti­sche Arte­fak­te, die funk­tio­nal zwi­schen einer Redak­ti­on und einem Publi­kum ver­mit­teln, indem sie Signa­le ver­mit­teln, die als Schrift, Bild oder Ton usw. inter­pre­tiert werden.

Spä­ter for­mu­liert er:

„Mas­sen­me­di­en“ sind Medi­en, die sich an Mas­sen richten.

Ich fin­de den Ansatz span­nend, wür­de ihn aber gedank­lich ein Stück weit ver­schie­ben oder umkeh­ren, wie ich in einem Kom­men­tar dazu geschrie­ben habe:

„Mas­sen­me­di­en“ sind Medi­en, die sich an Mas­sen rich­ten. “ – könn­te man nicht umge­kehrt behaup­ten, Mas­sen­me­di­en sei­en Medi­en, die Mas­sen erschaf­fen. Spe­zi­fi­zier­ter (wenn es um als nicht-fik­tio­nal gekenn­zeich­ne­te, soge­nann­te Nach­rich­ten­sen­dun­gen geht): ein Publi­kum oder gar (wenn es sich um poli­ti­sche-gesell­schaft­li­che) Nach­rich­ten han­delt: eine Öffent­lich­keit? Sodaß der Fluch des Mas­sen­me­di­ums dar­in bestün­de, fort­ge­setzt wei­ter Inhal­te zu pro­du­zie­ren, um die Mas­se, die sich zwar ver­ein­zelt in den Wohn­zim­mern befin­det, durch Schaf­fung eines poten­zi­ell all­ge­mei­nen Gesprächs­zu­sam­men­hangs (Über Poli­tik reden – mit Freun­den, an Stamm­ti­schen, auf Par­ties) wei­ter als Mas­se zu sta­bi­li­sie­ren, die genau idann wie­der in ihre Kon­sti­tu­en­ten zer­fie­le, wenn das Mas­sen­me­di­um ausfällt?

Nimmt man also als Ansatz: Mas­sen­me­di­en sind Medi­en, die eine Mas­se pro­du­zie­ren, wird der dif­fu­se und schwer fass­ba­re Begriff der “Mas­se” plötz­lich » Read the rest of this entry «

Die Utopie: Netztheater für eine globale Öffentlichkeit

Juni 13th, 2011 § 3 comments § permalink

Es ist Pfings­ten – Zeit für Geist, der ins Thea­ter fährt. Nicht Hei­li­gen. Eher Spi­rit. A new spirit.

Schlecht­ge­laun­tes wie zuletzt hier über das gegen­wär­ti­ge Stadt­thea­ter abzu­son­dern ist eine Leich­tig­keit. Den Beob­ach­ter in der Loge zu geben, der sou­ve­rän sein Urteil über die Gla­dia­to­ren fällt, die sich täg­lich mit dem Thea­ter her­um­schla­gen, reicht nicht. Wie also wäre ein neu­es Thea­ter anzu­ge­hen? Dirk Bae­cker hat mit der sieb­ten sei­ner 15 The­sen gera­de eine ganz lau­ni­ge Dis­kus­si­on unter Sys­tem­theo­re­ti­kern (auto­poiet und Dif­fe­ren­tia) ange­sto­ßen, die sich dar­über unter­hal­ten, wie denn wohl eine sol­che Kunst beschaf­fen sein müss­te. Abge­se­hen davon, dass „Kunst“ ein ziem­lich hoh­ler und damit unhand­li­cher Begriff ist, den es über­haupt erst ein­mal über Bord zu wer­fen gilt, sind die Gedan­ken inspi­rie­rend. Aller­dings geht es hier um eine ande­re Dimen­si­on der Fra­ge nach einer neu­en Kunst (kann über­haupt von „Kunst“ die Rede sein – wenn, dann als For­mu­lie­rung eines Gedan­kens, nicht aber als Zuschrei­bung zu irgend­ei­nem real exis­tie­ren­den Ding. Das vor­ab). Es geht um Thea­ter. Und es geht mir dar­um, wie ein Thea­ter aus­se­hen könn­te, das sich dem schein­bar unaus­weich­li­chen Kre­pie­ren der gegen­wär­ti­gen Thea­ter ent­zie­hen, ent­ge­gen­stel­len könn­te. Eine Uto­pie von Thea­ter, die mit dem bestehen­den pyra­mi­da­len Grab­mä­lern der Ver­gan­gen­heit bricht. Das will ich hier und heu­te zei­gen. Und das geht so: » Read the rest of this entry «

Martin Oetting über den massenmedialen Paradigmenwechsel der Gegenwart

Mai 26th, 2011 § 4 comments § permalink

Sehr span­nen­der Vor­trag von Mar­tin Oet­ting (Blog) in der Wer­be­agen­tur Scholz+Friends über den gegen­wär­ti­gen Medi­en­wan­del. Der anfangs etwas umständ­lich wir­ken­de Ein­stieg über Kuhns Begriff des Para­dig­men­wech­sel macht hoch­gra­dig Sinn, wenn er zum Wan­del der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­land­schaft kommt. Ins­be­son­de­re sei­ne Aus­füh­run­gen zur teu­ren Infra­struk­tur tra­di­tio­nel­ler Medi­en­häu­ser und dem werb­li­chen Finan­zie­rungs­bei­trag, der dafür sorgt, dass das Medi­en­haus die redak­tio­nel­le “Fil­te­rung” umgeh­bar macht und Wer­bung auf­nimmt, ist ein inspi­rie­ren­der Gedan­ke. “Rein in den Rat­ten­kä­fig” scheint mir eine hin­rei­chend bedroh­li­che (und unter­halt­sam auf­be­rei­te­te) Fort­set­zung die­ser dar­ge­leg­ten Ent­wick­lung. Anse­hen lohnt sich!

Theater und Kritik: Zwei Siechen beim Sterben zusehen?

Mai 20th, 2011 § 2 comments § permalink

In den letz­ten Pos­tings hat­te ich zu zei­gen ver­sucht, in welch bedroh­li­cher Lage sich mei­nes Erach­tens die Stadt­thea­ter befin­den – und zwar nicht aus dem uner­klär­li­chen Spar­wahn von Käm­me­rern, son­dern durch eine selbst­ver­schul­de­te Zeit­krank­heit. Als Nach­trag möch­te ich nun hin­zu­fü­gen, wie mei­ner Mei­nung nach die Situa­ti­on von Thea­ter und Thea­ter­kri­tik dazu füh­ren, gemein­sam in einen nicht rei­ßen­den, son­dern eher müden und ermü­den­den Abwärts­stru­del gera­ten, der bei­de an ein abseh­ba­res Ende bringt. Vor eini­gen Wochen schrieb Jür­gen Ber­ger auf der Sei­te des Goe­the-Insti­tuts einen Arti­kel mit dem Titel „Eine Fra­ge der Zeit – Print oder Online und wie das Inter­net die Thea­ter­kri­tik ver­än­dert“, der fol­gen­der­ma­ßen beginnt:

Dass sich Tei­le der Thea­ter­kri­tik ins Inter­net ver­la­gern, ist unauf­halt­sam. Allei­ne der all­mäh­li­che Abbau der Thea­ter­kri­tik vor allem in regio­na­len Print­me­di­en hat zur Fol­ge, dass eine Leer­stel­le ent­steht. Das spü­ren vor allem die Thea­ter jen­seits der Metro­po­len, die immer weni­ger im Feuil­le­ton auf­tau­chen. Es hat aber auch zur Fol­ge, dass immer weni­ger jun­ge Nach­wuchs­jour­na­lis­ten sich schrei­bend als Thea­ter­kri­ti­ker erpro­ben kön­nen. Die ein­zi­ge Aus­weich­mög­lich­keit: Das Inter­net. (Quel­le)

In der Fol­ge ver­brei­tet er sich über Kul­ti­ver­sum und Nacht­kri­tik und fled­dert ein wenig an der jour­na­lis­ti­schen Qua­li­tät der Kri­ti­ker und ihrer Tex­te her­um. Vie­les von dem, was er schreibt, ist nicht falsch. Eini­ges rich­tig. Es bleibt aller­dings an ober­fläch­li­chen Phä­no­me­nen und Geschmacks­kri­ti­ken an den geschmäck­le­ri­schen Kri­ti­ken hän­gen. Es ist ein­fach nicht zu erwar­ten, dass Schrei­ber, die mit einem Stun­den­satz von Gebäu­de­rei­ni­gungs­per­so­nal (Hono­rar für eine Kri­tik 60 € laut Esther Sle­vogt hier) abge­speist wer­den (und dar­auf läuft es in etwa hin­aus, betrach­tet man den gesam­ten Zeit­auf­wand für eine Kri­tik), eine refle­xi­ve Qua­li­tät ablie­fern, die haupt­be­ruf­li­chen oder nach Zei­tungs­sät­zen bezahl­ten Frei­en eig­net. Nacht­kri­ti­ken zu schrei­ben kann nur Hob­by sein oder die Mög­lich­keit, kos­ten­los ins Thea­ter zu kom­men. Aber das ist geschenkt und sei dahin gestellt.

Von Ver­schwin­den der Zeitungskritik

Inter­es­san­ter fin­de ich sei­ne Asser­ti­on, dass das schwin­den der Kri­ti­ken aus Zei­tun­gen eine unum­kehr­ba­re Bewe­gung sei – und sie ist fatal. Aus zwei­er­lei Grün­den. Zum einen zeigt sich an dem feh­len­den Auf­schrei der Leser­schaft, dass Thea­ter­kri­ti­ken schon längst nicht mehr als wesent­li­cher Bestand­teil der Zei­tungs­lek­tü­re bei Otto und Otti­lie Nor­mal­le­ser gel­ten. Thea­ter­kri­tik ist kein Kern­be­stand von Zei­tun­gen – höchs­tens eine Art Kol­la­te­ral­in­for­ma­ti­on, die » Read the rest of this entry «

Warum so viele Klassikerinszenierungen: Die Todsünden des Theaters (Antwort auf Nora Decker)

April 11th, 2011 § 3 comments § permalink

Die Schau­spiel­stu­den­tin Nora Decker hat mir eine Fra­ge gemailt, die nur auf den ers­ten Blick oft gehört und wie ein miso­thea­tra­ler Stoß­seuf­zer erscheint:

war­um wer­den sovie­le büh­nen­klas­si­ker insze­niert (shake­speare, goe­the, ibsen, usw.)?

gab es nicht eine zeit, in der stü­cke geschrie­ben u auf die büh­ne gebracht wur­den und gebrauch­te stü­cke im schrank blieben?

und wenn ja, war­um ist das nicht mehr so, war­um sieht die hit­lis­te der spiel­plä­ne so aus? :

1 Faust (Goe­the)
2 Der Gott des Gemet­zels (Reza)
3 Romeo und Julia (Shake­speare)
4 Ein Som­mer­nachts­traum (Shake­speare)
5 Kaba­le und Lie­be (Schil­ler)
6 Klamms Krieg (Hen­sel)
7 Wert­her (Goe­the)
8 Sze­nen (Lori­ot)
9 Die Räuber (Schil­ler)
10 Maria Stuart (Schil­ler)
11 Nathan der Wei­se (Les­sing)
12 Der zer­broch­ne Krug (Kleist)
13 An der Arche um acht (Hub)
14 Ham­let (Shake­speare)
15 Die Grönholm-Methode (Gal­ceran)
16 Der Men­schen­feind (Molière)
17 Ladies Night (Sinclair/McCarten)
18 Bud­den­brooks (Mann/Düffel)
19 Wer hat Angst vor Vir­gi­nia Woolf? (Albee)
20 Micha­el Kohl­haas (Kleist)

Ich fin­de die Fra­ge rele­vant. Und möch­te sie des­we­gen nicht per Mail son­der mit einem Pos­ting beantworten.

Erster Ansatz: Der Markt

Man könn­te es sich ein­fach machen und ange­bots­öko­no­misch argu­men­tie­ren: „Nun­ja, es gibt halt nicht genug Nach­schub, der insze­niert wer­den könn­te.“ Das ist kein Argu­ment: Öko­no­mi­schen Regeln fol­gend, müss­te eine Nach­fra­ge sich ein Ange­bot erschaf­fen. Übri­gens: Das tut es sogar.

Zweiter Ansatz: Der Wahrnehmungsfehler

Tat­säch­lich gab es in den letz­ten Spiel­zei­ten so vie­le Urauf­füh­run­gen wie ver­mut­lich nie in der Thea­ter­ge­schich­te zuvor (Werk­sta­tis­tik Büh­nen­ver­ein 2008/09: 609 Ur- und Erst­auf­füh­run­gen!). Also: „Wahr­neh­mung öff­nen und sehen, dass die Behaup­tung falsch ist.“

Sie ist aller­dings nicht falsch. Die von den Batt­le­group-Autoren vor­ge­tra­ge­ne Behaup­tung, es gäbe zwar einen unstill­ba­ren Hun­ger nach Urauf­füh­run­gen, die zumeist von Jung­re­gis­seu­ren auf Werk­statt­büh­nen ver­heizt wür­den, trifft zu. Und sie ändert nichts an der Situa­ti­on, dass unter dem Deck­män­tel­chen des „Wir spie­len ja Neu­es“ tat­säch­lich eine basalt­e­ne Grund­struk­tur der Klas­si­ker­in­sze­nie­run­gen zu fin­den ist (2008/9 wur­den ins­ge­samt 3.710 Wer­ke laut Büh­nen­ver­ein auf­ge­führt – ein Sechs­tel also nur neue Tex­te, 3.100 nicht­neue Wer­ke bei ins­ge­samt 7.090 Insze­nie­run­gen, von denen dann die „neu­en“ Stü­cke, die zumeist nur ein­mal insze­niert wer­den, gera­de ein­mal  8,6% sind), in die nur gele­gent­lich eini­ge „embedded aut­hors“, die als Dra­ma­tur­gen oder ähn­li­ches im Betrieb durch­ge­nu­delt wer­den, inte­griert sind.

Der groß­ar­ti­ge, hier (lei­der offen­bar nicht mehr) blog­gen­de Frank Kroll vom Hen­schel-Schau­spiel­ver­lag hat sich vor eini­gen Jah­ren die Mühe gemacht, die Büh­nen­ver­eins-Sta­tis­tik jen­seits des ers­ten posi­ti­ven Ein­drucks nach­zu­rech­nen und kommt zu dem Ergebnis:

Zwar ist, abso­lut be­trach­tet, die Zahl der ur- und erst­auf­ge­führ­ten Wer­ke seit Beginn der 90er Jah­re um etwa ein Drit­tel ange­stie­gen, im sel­ben Zeit­raum redu­zier­te sich die durch­schnitt­li­che Vor­stel­lungs­zahl pro Werk jedoch um ein höhe­res Maß. Immer mehr Wer­ke wer­den von den Thea­tern «ent­deckt», erle­ben dann aber immer weni­ger Auf­füh­run­gen. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit neu­er deutsch- und fremd­spra­chi­ger Dra­ma­tik sta­gniert wei­ter­hin auf einem nied­ri­gen Level. Den viel­be­schwo­re­nen «Hype» mit Neu­er Dra­ma­tik hat es nie gege­ben. Zwi­schen der Selbst­dar­stel­lung der Thea­ter und dem tat­säch­li­chen Büh­nen­ge­sche­hen besteht eine deut­li­che Dis­kre­panz. (Quel­le)

Nur weil Buch­händ­ler auch lus­ti­ge Gruß­post­kar­ten an der Kas­se ver­kau­fen wer­den sie noch lan­ge nicht zu Gruß­post­kar­ten­ge­schäf­ten. Das „Kern­ge­schäft“ der Thea­ter ist und bleibt die bis zu Erbre­chen wie­der­hol­te Klas­sik. Warum?

Dritter Ansatz: psycho-ethisch

Tat­säch­lich begrün­det sich die­ses Ver­hal­ten aus fünf künst­le­ri­schen Tod­sün­den: Faul­heit, Feig­heit, Dumm­heit, Eitel­keit und Geiz. Und zwar so: » Read the rest of this entry «

Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens

April 11th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens § permalink

Ein kur­zer Mail­wech­sel mit Oli­vi­er Garo­fa­lo bringt mich dazu, nicht nur zum Haupt­the­ma die­ses Blogs – dem Thea­ter – zurück zu keh­ren. Son­dern direkt zu fun­da­men­ta­len Fra­gen des Gegen­warts­thea­ters zu kom­men. In der Mail von Garo­fa­lo fin­det sich die­se pro­vo­kan­te Frage:

die wich­tigs­te Fra­ge ist wohl, ob der Inhalt
ver­schwin­det, weil das Publi­kum in den heu­ti­gen Zei­ten in ihrer Freizeit
nicht mit Fremd­ge­dan­ken belas­tet wer­den wol­len, oder ob beson­ders die
Schau­spiel- und Regie­schu­len nur Ästhe­tik leh­ren (weil das freie Den­ken eh
nicht bei­bring­bar ist). Wahr­schein­lich bei­des und mit­ten­drin die Kritik,
die ihre Mass­stä­be an der Kunst mes­sen und eben nicht am Inhalt.

Garo­fa­lo nimmt damit drei Betei­lig­te als poten­zi­el­le Akteu­re auf: Publi­kum, Thea­ter­schu­len und Kri­tik. Das ist inso­fern span­nend, als die Dis­kus­si­on nicht sofort Inten­dan­ten, Dra­ma­tur­gen und Regis­seu­re in den Blick und Angriff zu neh­men ver­sucht. Son­dern die Ent­ste­hungs­be­din­gun­gen einer bestimm­ten Gesamt­si­tua­ti­on auf schein­ba­re Rand­be­din­gun­gen zurück­führt – was Sinn macht.

Das Publi­kum

Ist das Publi­kum bzw. sind die Zuschau­er Akteu­re in einem Sinn, der sie mit­ver­ant­wort­lich für das Elend gegen­wär­ti­gen Thea­ters macht? Was will „das Publi­kum“? Ein gro­ßer, ein­fluss­rei­cher Teil des aktu­el­len Publi­kums for­dert offen­bar „werk­treue“ Insze­nie­run­gen von Klas­si­kern. Sie wol­len Muse­um. Iden­ti­sche Repro­duk­ti­on der eige­nen Vor­stel­lun­gen des­sen, was „die alten Meis­ter“ schrie­ben, woll­ten, vor­stell­ten. Die­se Debat­te ist nicht tot zu bekom­men. Und Thea­ter tun die­sem Publi­kum ja den Gefal­len. Man spielt die Klas­si­ker. Und wenns kei­ne » Read the rest of this entry «

Zum Begriff des Publikums — Gastbeitrag von Olivier Garofalo

April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Zum Begriff des Publikums — Gastbeitrag von Olivier Garofalo § permalink

Von Oli­vi­er Garo­fa­lo, des­sen Mas­ter-Arbeit über Sich Gesell­schaft leis­ten ich ja letz­tens ver­linkt hat­te, bekam ich den fol­gen­den Gast­bei­trag, den ich ger­ne veröffentliche.

Als Kon­su­ment des Thea­ters ist der Zuschau­er in der öko­no­mi­sier­ten Gesell­schaft das bes­te Indiz, Erfolg oder Miss­erfolg aus­zu­ma­chen. Gleich­zei­tig ist das Publi­kum auch jen­seits des Ver­kaufs­schal­ters not­wen­di­ge Bedin­gung für die Exis­tenz des Thea­ters. Anders als der Film kann das Thea­ter nicht ohne Publi­kum exis­tie­ren. Thea­ter ohne Publi­kum ist kein Thea­ter, höchs­tens eine Pro­be. Die­se Erkennt­nis, so offen­sicht­lich sie auch ist, scheint ver­ges­sen zu sein. Das Thea­ter basiert auf die­sem Dua­lis­mus : einer­seits die Künst­ler, wel­che ihr Geld damit ver­die­nen, Thea­ter zu rea­li­sie­ren und auf der ande­ren Sei­te der Zuschau­er, der sein ver­dien­tes Geld im Thea­ter wie­der aus­gibt. Damit sind die zwei Pole ein­deu­tig erkenn­bar: einer­seits der Arbei­ten­de, ande­rer­seits der Freizeitler.

Genau die­se Schwel­le ist gegen­wär­tig ein wesent­li­ches Pro­blem des Thea­ters. In einer lei­tungs­ori­en­tier­ten, öko­no­mi­sier­ten Gesell­schaft wird die freie Zeit zum Moment des sys­te­mi­schen Aus­bruchs. Kein Druck und kei­ne Ver­ant­wor­tung soll die Frei­zeit stö­ren, wes­halb ihre Gestal­tung wie­der­um kos­ten­güns­tig sein soll, denn das Gegen­teil wür­de eine finan­zi­el­le Legi­ti­ma­ti­on bedeu­ten und also Druck und » Read the rest of this entry «

Die Facebook-Frage: Die ganze Reihe als PDF

Februar 23rd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook-Frage: Die ganze Reihe als PDF § permalink

Wer kei­ne Lust hat, die Pos­tings ein­zeln durch­zu­kli­cken, kann sich hier alle in einem PDF runterladen:

Die Face­book Fra­ge (PDF Download)

Die Facebook-Frage (Teil 10): Zukunftsspekulation zum Abschluss

Februar 23rd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook-Frage (Teil 10): Zukunftsspekulation zum Abschluss § permalink

Nie­mand ver­mag heu­te zu sagen, was Face­book in 2,5 10 Jah­ren sein wird. Goog­le oder Second Life – nächs­ter Phö­nix oder nächs­ter Rohr­kre­pie­rer. Das hängt aller­dings nicht allein vom Nut­zer­ver­hal­ten ab. Viel­mehr hat es Face­book in der Hand, mehr und bes­se­res zu machen und lang­fris­tig leben­dig zu blei­ben. Dazu sind Shop-Inte­gra­tio­nen wie gegen­wär­tig begon­nen oder Face­book Deals sicher nur epi­so­dische Wege. Face­book wird kei­ne Shop­ping-Mall. Und es wird auch kei­ne wei­te­rer Grou­pon Klon.

Ich erlau­be mir eine Spe­ku­la­ti­on: Die Zukunft von Face­book wird damit ste­hen und fal­len, ob sie es schaf­fen, den Open­Graph über die blo­ße Ver­lin­kung von Web­sei­ten durch „Freun­des­hand“ (per Like But­ton) aus­zu­deh­nen auf ein „Buy“-Button basier­tes Bezahl­sys­tem. Das heißt: Wie jetzt jeder­mann auf sei­ner Web­sei­te oder sei­nem Blog ein „Like“ inte­griert, wird zukünf­tig ein „Buy“ » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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