Bin gestern auf Robert Basics Blogpostings zur Fidor Bank gestoßen: Hier seine Vorstellung der Bank (inkl. Kommentaren seitens der Bank und des Vorstands! dazu), hier sein enorm positiver Selbstversuch, hier ein Ferninterview von Robert mit dem Vorstand Matthias Kröner. Soweit zur Quellenlage.
Der Ansatz der Bank ist spannend: man pflegt nicht Kundengeschäft und betreibt nebenbei eine Online-Community. Sondern die Community “ist” die Bank. Die Kunden können das aktuelle Angebot kommentieren, sich gegenseitig Ratschläge geben, der Bank positives und negatives Feedback geben — und Verbesserungsvorschläge machen. Naja — Vorschläge kann ich überall anbringen. Hier aber lebt die Bank von den Vorschlägen und orientiert sich an den Wünschen sehr direkt. Vermutlich werden wir hier auf der Seite demnächst auch einen freundlichen Kommentar seitens der Bank sehen — weil sie genau schaut, wo im Netz gut oder weniger gut gesprochen wird. Genau dort selbst am Gespräch teilnimmt, Fragen beantwortet, Kritik aufnimmt, sich erklärt.
Der “Dialog”, den Old Economy-Banken an Plakatwände als Versprechen pappen — ist hier Geschäftsmodell geworden. Die Kunden bestimmen oder beeinflussen zumindest, was für Produkte die Bank anbietet und nehmen zu Konditionen stellung, sind involviert, haben vollste Transparenz über das gechehen. Und als Neukunde stehe ich nicht vor unmotivierten und überbezahlten Kundenverratern, sondern von einer Menge aktueller undd aktiver Kunden. Wer ist die Bank — wenn nicht die Kunden selbst? Und der Dialog der Kunden und mit den Kunden ist keine “Außenkommunikation” oder Randerscheinung, sondern Kern der Bank.
Heißt: Die Bank ist kein Unternehmen, sondern eine Netzwerkassoziation. Kein Netzwerk von ganz gleichen, es gibt Profis und Berater, und die Bank hat natürlich sowohl eigenes Interesse und eigene Agenden. Aber die Bank weiß auch, dass sie von ihrem offenen Netzwerk abhängig ist. Für mich ein Riesenschritt hin zum Banking in der Digitalöknomie. Ich würde mir nun vorstellen, dass die Bankgemeinschaft Digitallandwirte beauftragt, die ihr Geld durch Digitalspekulation vermehren sollen. Das wäre Finanzwirtschaft für die Digitalökonomie, die aus dem Digitalraum den Gewinn zieht, die die Kompetenz der Profis als Rohstoff für die Mehrwerterzeugung nutzt. Investition der Zukunft. Ich hoffe, das wird nicht missverstanden.
Ich glaube nicht, dass das Dialogmodell bis in den Millionen-Kunden-Markt einfach skalierbar ist. Aber warum sollte es nicht viele Netzwerkbanken geben, die sich fallweise wiederum untereinander vernetzen, um größere Projekte zu stemmen. Oder wiederum gemeinsam Drittplayer beauftragen, Großprojekte zu handlen und abzuwickeln (nach Zustimmung der Kunden).
Ich erlaube mir, einige Videos hier einzubinden und zum Anschauen zu empfehlen:
August 11th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Journalismus bizarr — heute die Frankfurter Rundschau § permalink
Am letzten Samsatg las ich in der FR (hier) in der von mir sehr geliebten und geschätzten Kolumne von Mely Kiyak einen enorm eindringlichen Text über die widerwärtige Praxis der Steinigung. Ein Thema, dem sich anzunehmen und Protest zu üben meines Erachtens jenseits aller religiösen Eigenheiten nicht nur gerechtfertigt sondern geboten ist. Dass die Todesstrafe selbst ein Skandalon ist muss auch nicht diskutiert werden — das ist sie. Aus Gründen, die ich hier vielleicht einmal posten werde.
Heute nun lese ich (hier) ein Interview mit der Amnesty-Aktivistin Marie von Möllendorff, die in vielerlei Hinsicht Bedenkswertes zur Steinigung beizutragen hat und deren konkretes Engagement ich zuhöchst respektiere. Das alles vorweg — nun aber zeigt sich, wie seltsam Journalismus funktioniert. Und wie wenig der “Qualitätsjournalismus” darauf achtet, was er selbst fabriziert. Wenn das Anliegen stimmt. Dass das beste Anliegen durch falsche Argumente beschädigt werden könnte — wohl keiner Überlegung mehr wert.
Vielleicht meine verkürzte Wahrnehmung der Welt — aber seltsamerweise ging ich immer davon aus, dass die Steinigung eine besondere Grausamkeit ist, die Männer gegen Frauen verhängen, Das bestätigt auch weitgehend der Artikel in der FR:
Offenbar sind Frauen besonders häufig von Steinigungen bedroht. Warum ist das so?
Es sind auch Männer bedroht, aber häufiger Frauen. Die Aussage eines Mannes wiegt die Aussagen von zwei Frauen auf. Frauen sind häufiger Analphabeten und haben oft Geständnisse, die sie unterzeichnen, gar nicht gelesen. Bei ethnischen Minderheiten ist es oft auch so, dass sie kein Persisch verstehen. Das heißt, dass sie bei Gerichtsverfahren, selbst wenn sie von Steinigung bedroht sind, gar nicht wissen, was passiert. Und da Frauen meist kein eigenes Einkommen haben, können sie sich keinen guten Rechtsbeistand leisten.
Männer sind auch bedroht, aber häufiger Frauen. Aha. Männer haben mehr Gewicht vor Gericht (ääähm — auch wenn sie zu Ungusten von Männern aussagen?), Frauen verstehen kein Persisch (nein — genau lesen: “ethnische Minderheiten”). Und Frauen können sich keinen guten Rechtsbeistand leisten (heißt: Männer können?). Ich will hier nicht die Frauen-Männer-Debatte zum Dauerthema machen, wiewohl ich (hier) beim Thema Burka (aber mit gänzlich anderem Fokus) darauf Bezug genommen habe. Wir kommen zu Zahlen:
2009 wurden mindestens 388 Menschen hingerichtet, darunter war nur ein Mann, der gesteinigt wurde. Am häufigsten ist Tod durch Hängen. Ehebruch gehört zu den Hodoud-Verbrechen, das sind Verbrechen gegen den göttlichen Willen, die eine Bestrafung nach islamischem Recht nach sich ziehen. Steinigung steht nur auf den Ehebruch verheirateter Personen.
Aha — nur ein Mann. Und 387 Frauen? Nein nein, genau lesen: Es wurden 388 Menschen insgesamt hingerichtet, davon wurde ein Mann gesteinigt. Es steht dort nicht, dass 387 nichtmännliche Steinigungsopfer waren oder nur ein Mann hingerichtet wurde (und zwar durch Steinigung) hingegen 387 Frauen (auf welche Weise auch immer). Und der Haken steckt im nächsten Satz:
Wir gehen davon aus, dass mindestens fünf Männer und eine Frau seit 2002 gesteinigt wurden. Im Moment sind mindestens sieben weitere Frauen und drei Männer von Steinigungen bedroht.
Fünf Männer, eine Frau. Wie gesagt: Mir war bisher unbekannt, dass überhaupt Männer gesteinigt werden. Und mir ist letztlich auch ziemlich egal, Menschen welchen Geschlecht derart zu Tode gequält werden. Warum aber höre ich nichts von den Männern, die dieses Urteil tötet? Warum hängt auch die FR es als “Frauenthema” auf — und unterlässt es dann, die mir die Augen doch ein Stück öffnenden Zahlen einfach wegzulassen, um den schönen Artikel damit nicht zu zerstören? Warum schreibt man auf engstem Raum zusammen: “Es sind auch Männer bedroht, aber häufiger Frauen. (…) Wir gehen davon aus, dass mindestens fünf Männer und eine Frau seit 2002 gesteinigt wurden.” Kann mir irgendjemand aus dieser Redaktion erklären — warum?
Und übrigens — warum soll ich dafür Leistungsschutzrechte anerkennen? Was leistet der “Qualitätsjournalismus” denn, der sich solche Artikel leistet?
Ich lese gerade noch einmal den Text “Hegemonie und das Paradox von privat und öffentlich” (hier online und als pdf) von Alex Demirovic. Und bin dabei über einen Gedanken gestolpert, den ich zuletzt (hier) beim Nachdenken über Öffentlich/Sozial/Privat überlesen hatte:
Journalisten waren diejenigen Akteure, die, solange es keine politischen Parteien, kein regelmäßig tagendes Parlament und keine Berufspolitiker gab, Politik als eigenständige Handlungssphäre auf Dauer stellten und damit auch die staatliche Verwaltung kontrollierten.
Leider unterschätzt Demirovic die Kraft dieses Gedankens — und konstatiert diese Funktion nur für den Journalismus der vordemokratischen Epoche. Wie wäre es, wenn die “Auf Dauer Stellung” des Politischen als eine eigene Späre nur durch die sogenannte journalistische Literatur grundsätzlich geschähe. Wenn unabhängig von der umgebenden Herrschaftsform “das Politische” nur durch die Erzählungen von Print, Radio, TV entstünden — wie die Heiligenlegenden durch die Bibel, Märchengestalten, Celebrities. Wie also, wenn nicht nur die “Dramaturgie” wie hier » Read the rest of this entry «
Ein berühmtes und häufig inkriminiertes Diktum von Niklas Luhmann erklärte die Psyche oder das „psychische System“ zur Umwelt des sozialen Systems der Gesellschaft bzw. damit grundsätzlicher aller Systeme, die nicht das psychische System selbst sind. Das heißt: Im Wirtschaftssystem, Im Kunstsystem, im Rechtssystem usw. kommt die Psyche nur als Umwelt vor. Die Knotenpunkte der Kommunikation sind aufgespalten in (mindestens) zwei Systeme: ein psychisches und ein Gesellschaftliches (bzw. bereits nahezu zwangsläufig mehrere sich überwiegend zum Gesellschaftssystem sich als Subsysteme verhaltende. Wenn ichs denn richtig verstanden habe.
Es stellt sich die Frage, ob diese theoretische petitio principii nicht tatsächlich unbemerkt eine Diagnostik der Moderne ist, in der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts tatsächlich der Mensch zumindest im Wirtschaftssystem einerseits Arbeiter war, dessen Eigenes, Psychisches, Individuelles bloß Umwelt war, mit der Privatkleidung zugunsten eines Arbeitssystems abgelegt wurde. Andererseits das Private nur mehr – nun abgespalten vom Arbeitsleben etwa durch unterschiedliche Verortungen von Privatem und Beruflichem – das Berufliche als Umwelt betrachtet. Ist also die fundamentale Spaltung in Sozialsystem „Firma“ und psychisches, emotionales Zuhause die Relation, die Luhmann tatsächlich beschreibt, die auf historisch ältere Konstrukte nicht in dem Maße – vielleicht nur für Geistliche, Soldaten, Huren, — zuträfe?
Dazu würde wiederum passen, das nicht lange nach der Einführung des intrapersonalen Schisma die Psychologie und insbesondere die Psychoanalyse und Psychotherapie entstand. Ich komme darauf, weil ich – wiewohl mit Boltanski/Chiapello noch immer nicht ganz fertig – zwischendrin ein wenig bei Eva Illouz „Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“ zu schmökern begonnen habe. Sie beschreibt eine Trennung von „einer emotionsfreien öffentlichen und einer mit Emotionen gesättigten privaten Sphäre“ (12, die sie in der Folge bis in die Gegenwart hinein zerfallen sieht. Über das beginnende 19. Jahrhundert schreibt sie, „daß die Psychoanalyse und die Vielzahl abtrünniger Theorien der Psyche, die ihr gefolgt sind, im großen und ganzen ihre Hauptaufgabe darin sahen, das emotionale Leben neu auszurichten (auch wenn es natürlich so aussah, als wären sie lediglich daran interessiert, es zu zerlegen).“ (15)
Bezieht man Freuds Ziel, die Patienten arbeits- und liebesfähig zu machen (ich finde gerade die zitierfähige Stelle nicht – vielleicht hat jemand einen Tipp) in die Betrachtung ein, fällt eben in der Zusammenstellung Arbeit+Liebe auch die Entgegensetzung auf: Die Arbeitswelt und die Liebeswelt. Die eine die Umwelt des anderen.Innenleben und Außenleben. Während sich vorherige Jahrhunderte darum bemühten „vom Umgang mit Menschen“ ethisch zu handeln, tritt nunmehr4 das schizologische Problem des Umgangs mit sich selbst, dem Selbst, mit sich auf. Und die freudsche Psychotechnologie schafft ein sich auf die Vergangenheit richtendes Ich, das in sich selbst und der eigenen Vergangenheit die Lösung für gegenwärtige Probleme sucht. Und nebenbei arbeiten geht. Oder sich im Theater anschaut, wie man das Leben in Innen- und Außenwelt einzuteilen hat.
Und die Aufgabe der Gegenwart stellt sich so dar, dass der Re-Entry des eines Systems ins andere stattfindet. Dass also öffentliche Gefühle gefragt und gefordert sind (etwa bei Fußballveranstaltungen), bei der Arbeit (Selbstmotivation und Leidenschaft) zugleich rationales, regel- und gesetzgeleitetes Handeln im Privaten.
August 8th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Leistungsschutz und Urheberrecht in der frühen Digitalökonomie § permalink
Die sonst so häufig zurecht von mir geschmähte Yellowpostille SpON kam gestern- wohl weil im Sommerloch einfach alles herhalten muss, was die werbeverkauften Seiten füllt — tatsächlich mit etwas Interessantem und insbesondere Selbstreferentiellem um die Ecke. Vergessen wir nicht: Spiegel und SpON sind die marktgängigen Marken des Spiegel-Verlags, der ein wirtschaftliches Unternehmen darstellt. Und zwar indem er die Texte von Autoren veröffentlicht und dafür von der werbetreibenden Industrie und/oder von Nutzern Geld verlangt. Der Verlag verwertet die Urhebungen seiner Autoren. Ureberrecht einerseits — Verwertungsrecht andererseits. Und neuerdings möchten die Verlage ein Leistungsschutzrecht, um auch im Internet durch Informationsverknappung und Monopolisierung noch Kapital aus diesen Urhebungen zu ziehen. So weit die nüchterne Beschreibung.
Nun kommt in der Rubrik Spiegel Wissenschaft/Geschichte ein Artikel unter dem Titel “Explosion des Wissens” von Frank Thadeusz um die Ecke, der im Summary anteasert:
Hat Deutschland im 19. Jahrhundert einen industriellen Aufstieg erlebt, weil das Land kein Urheberrecht kannte? Mit dieser Analyse sorgt ein Münchner Wirtschaftshistoriker für Aufsehen.
Das klingt, als wolle besagter Wissenschaftler Eckhard Höffner die Urheber enteignen. Tatsächlich aber geht es um das “Copyright” — nicht ganz dasselbe wie das Urheberrecht — sondern viel ähnlicher dem deutschen Verwertungsrecht, heißt dem Recht zur Vervielfältigung von Urgehobenem. Das betrifft letztlich zwar auch die Autoren, die kein Geld für ihre Werke sahen. Aber es betrifft in viel stärkerem Maße die Verlage, denen der Profit den Bach hinabschwamm. Das sollte man tunlichst trennen. Thadeusz schreibt von der Londoner Verlegerkultur, die vom 1710 eingeführten Copyright geschützt waren:
Die prominentesten Verleger in London verdienten trotzdem prächtig und fuhren teils mit vergoldeten Droschken umher. Ihre Kunden waren Reiche » Read the rest of this entry «
August 7th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Digitalökonomie — eine eigene Währung für Finanzmarktspekulation? § permalink
Wenndie Digitalökonomie als eigene Dimension entsteht, die sich von der Realdimension löst, stellen sich zwei Fragen: Braucht Digitalien nicht auch eine eigene Währung? Und ist die Finanzspekulation tatsächlich die Wertschöpfungsindustrie?
Vorweg: Ich habe keinerle Ahnung, ob das irgendwohin führt oder einfach der größte Blödsinn ist.
Die Ruralökonomie bezog Reichtümer aus der Natur, aus Landwirtschaft und Viehzucht. Die Industrieökonomie bezog ihren Reichtung aus Rohstoffen und Arbeiterzucht oder der in dem Werkstücken gespeicherten abstrakten Arbeit. Globalökonomie bezog ihren Reichtum inbesondere aus dem Transport, der Verfügbarmachung von Produkten (die sich hinsichtlich der Länder, in die sie exportiert werden, wie Rohstoffe darstellen) und dem Handel. Woraus soll eine Digitalökonomie Wertschöpfung ziehen? Wo ist die Erde, aus deren Veredelung sich Reichtum schaffen lässt — wenn nicht im Wege der Finanzspekulation, der es gelingt, aus buchstäblich Nichts Profit zu schlagen. Ein domestizierter Casinokapitalismus müsste doch wertschöpfend fruchtbar zu machen sein. Wenn » Read the rest of this entry «
August 6th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Digitalökonomie, Arbeitslosigkeit, Freiheit § permalink
Aus den Postings der vergangenen Tage dürfte hervorgegangen sein, dass die Geschäftsmodelle traditioneller Unternehmen akut bedroht sind. Sei es die aufgehobene Knappheit digitaler bzw. digitalisierbarer Güter oder die nicht mehr (weltweit) lokale, niederlassungsgebundene Vertriebsorgansiation durch eCommerce und virtuelle Shops, die Ladenlokale überflüssig machen — bis hinein in die Vorlagenerstellung realer Güter durch den Kunden in Digitalien — weite Felder des herkömmlichen Wirtschaftens werden von der Welle des hier vor einiger Zeit als Digitalen Tsunami (hier) bezeichneten Veränderungsprozesses erfasst werden. Dabei werden Arbeitsplätze in gewaltigem Ausmaß wegfallen — Rifkin spricht daher vom “Ende der Arbeit”.
All das greift zu kurz, beschäftigt man sich mit der Digitalökonomie, ohne sie sofort aus nationalökonomischer oder globalökonomischer Perspektive zu verkürzen und nur das “nicht mehr” zu betrachten. In der Digitalökonomie fällt weitgehend auch die Knappheit der Produktions- und Distributionsmittel weg. Verlassen wir für einen Augenblick den etwa von Marx fokussierten Bereich » Read the rest of this entry «
August 5th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Digitalökonomie und staatliche Macht § permalink
Digitalökonomieist eine Ökonomie, in der nichts knapp ist außer der Knappheit selbst. Unternehmen, einst angetreten um den Wunsch nach knappen Gütern zu (wecken und zu) befriedigen, stehen nun vor der einmaligen Situation, dass ihre Güter nicht mehr knapp sind. Sie konkurrieren (etwa in der schönen Parole “Zeitungen versus Blogger”) mit Produzenten, die gleiche Stückzahlen mit weniger bzw. gar keinem finanziellen Invest herstellen und vertreiben können. Die zudem unendlich viele “Kopien” eines einmal gekauften Produkts in den kostenlosen Verkehr bringen können. Das plötzlich so wichtige erwachende Interesse am Urheberrecht und daraus (unhaltbar) abgeleiteten Ansprüchen der Verwerter von Urhebungen erscheint als Heiland. Und ist doch nur ein verkleideter Student mit weißem Bart.
Neben dem Umgang der bestehenden ökonomischen Einheiten — nennen wir sie vorerst weiterhin Unternehmen und Firmen — mit den digitalökonomischen Gegenbenheiten stellt sich zugleich die Frage, wie staatliche Macht mit diesem ökonomischen Gebilde umgeht. Denn im staatlichen Handeln und Eingriff treffen zwei Dimensionen aufeinander, die es demokratischen Staaten nahezu unmöglich macht, eigene Machtansprüche aufrecht zu erhalten und durchzusetzen. In dem generalisierten (Aus-)Tauschsystem Digitaliens werden nicht nur Virtualien gehandelt, sondern vor allem Daten und Informationen. Und damit müssen staatliche Eingriffe in die physische Infrastruktur Digitaliens (Vulgo: des Netzes) sich jederzeit mit dem Vorwurf der Zensur auseinander setzen. Waren Handelshemmnisse, Handelsbeschränkungen, Zölle früher einfach Aktionen im » Read the rest of this entry «
August 5th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Digitalökonomie und Globalökonomie § permalink
Nach einem ersten Abgrenzungsversuch der Digitalökonomie gegen die Nationalökonomie in den vergangenen Tagen, heute ein erster Versuch zu bestimmen, worion sich die Digtal- von der in letzten Zügen liegenden Globalwirtschaft, d.h. der Globalisierung, unterscheidet. So paradox es auf den ersten Blick wirkt:
Globalwirtschaft ist noch und in aller stärkstem Maße Lokalwirtschaft. Wirtschaft begibt sich an bestimmte Orte — sei es um Lohnkosten zu senken, Märkte zu erschließen, Steuervorteile zu nutzen, Investitionshilfen abzufragen … — heißt: sie globalisiert. Sie arbeitet mit Partnern, die an anderen Orten sitzen. Oder verkauft an Kunden, die am anderen Ende der Welt angesiedelt sind. Transport und Kommunikation sind die Ermöglicher diesess Prozesses der Globalisierung. Transport und Kommunikation zwwischen lokalisierbaren Punkten.
Tatsächlich findet bei der Globalisierung ein gewaltiger weltweiter Verschiebebahnhof der Knappheiten und Überflüsse statt. Lokale Nachfrageüberschüsse werden durch Transport von Gütern dorthin oder Errichten von Produktionseinheiten vor Ort beantwortet. Lokales Arbeitskräfteüberangebot wird ebenso durch lokale Ansiedlung beantwortet. Knappheit und Überfluss finden zu globalen Austauschprozessen. Aber diese Globalisierung kann nur als Ungleichgewicht funktionieren. Würde die ganze Welt leben wie Castrop-Rauxel — es gäbe keine Globalisierung.
Digitalökonomie und Verfügbarkeit
Wie die nationalökonomische Knappheit in der Digitalökonomie nicht zu finden ist, so auch die lokale Knappheit der Globalisierung nicht. Jeder Mensch mit Zugriff auf das Internet kann im Web jedezeit und überall jedes Gut abrufen und » Read the rest of this entry «
Im Freitag gibt es heute einen geharnischten Artikel von Peter Nowak (hier) zu der Frage, ob es eine im Geheimen agierende Macht gibt, deren Wirken durch Whistleblower wie Wikileaks aufgedeckt wird — oder ob diese Annahme nur grenzparanoide Verschwörungstheorie ist, während “die Macht” vom Kapital bzw. nach Gesetzen des Kapitals ausgeübt wird. Nowak empfiehlt: Statt Wikileaks und andre (ehemals) investigative Quellen wie (früher) den Spiegel doch lieber Marx und das Kapital zu lesen.
Das gibt mir Anlass zu dreierlei:
Marx lesen schadet nie. Marx der Beschäftigung mit Gegenwärtigem vorzuziehen oder beides entgegen zu setzen macht aus Marx einen Märchenonkel, bei dessen Lektüre man noch von ausgebeuteten Proletariern und ausbeutenden Kapitalisten träumen kann. Die Welt hat sich verändert. Marx gehört in die Perspektive der Betrachtung des Gegenwärtigen, ausreichen wird er dafür nicht (mehr).
Die Vorstellung der Macht, die Peter Nowak referiert und zurückweist, nämlich “das die Welt von Mächten gelenkt werden, die im Geheimen » Read the rest of this entry «