Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Fortsetzung

Mai 18th, 2011 § 2 comments § permalink

Im vor­he­ri­gen Pos­ting habe ich dar­zu­le­gen ver­sucht, in wel­cher Wei­se Thea­ter sei­nen Stel­len­wert als nahe­zu mono­plois­ti­scher Anbie­ter von Abend­un­ter­hal­tung ein­büß­te. Jetzt will ich ver­su­chen zu zei­gen, wie das Thea­ter auch sei­ne Funk­ti­on als Kon­sti­tu­ent einer städ­ti­schen Bür­ger­ge­sell­schaft einbüßte.

Das Ende des Bürgertheaters

Thea­ter war für das ent­ste­hen­de Besitz­bür­ger­tum des 19. Jahr­hun­derts zugleich der Ort, sich reprä­sen­ta­tiv aus­zu­stel­len und den eige­nen Wohl­stand unter Sei­nes­glei­chen zu zei­gen. Wie zuvor der Adel sich bei Fes­ti­vi­tä­ten in Gala warf und sich zeig­te (ohne dass dabei unbe­dingt der Besitz zum aus­schlag­ge­ben­den Reprä­sen­ta­ti­ons­fak­tor wur­de), so zeigt sich nun­mehr das Bür­ger­tum, der klei­ne und mitt­le­re Finanz­adel sei­nes­glei­chen und reprä­sen­tiert den eige­nen Wohl­stand in ver­gleich­ba­ren Krei­sen. Wäh­rend sich zuvor loka­le Gemein­schaf­ten in Kirch­ge­mein­den, auf Volks­fes­ten, auf Märk­ten und ande­ren öffent­li­chen Ver­samm­lungs­or­ten kon­sti­tu­ier­ten, kon­sti­tu­ier­te sich nun­mehr inner­halb der städ­ti­schen Gesell­schaft eine Groß- und spä­ter auch Klein­bür­ger- und Arbei­ter­ge­sell­schaft im Theater.

Wie­der­be­schwo­ren als ver­lo­re­nes Ide­al nach der 48er-Revo­lu­ti­on, wird das Volks­stück zum iden­ti­fi­ka­to­ri­schen Sym­bol einer ent­ste­hen­den urba­nen » Read the rest of this entry «

Warum es für die Theater um Leben und Tod geht

Mai 17th, 2011 § 1 comment § permalink

Die letz­ten Jah­re haben ver­schie­de­ne Wirt­schafts­zwei­ge enorm durch­ge­schüt­telt. Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men mit ver­al­te­ten Geschäfts­mo­del­len sind an den Abgrund getau­melt oder abge­stürzt. Wir befin­den uns in einer Zeit rasan­ten Wan­dels. Dies vor­weg zu bemer­ken soll nicht dahin füh­ren, Thea­ter als Wirt­schafts­un­ter­neh­men zu bestim­men. Es soll ledig­lich die Umbruch­si­tua­ti­on bestim­men, in der es Thea­ter zu betrach­ten gilt.

Letz­tens hat­te ich – etwas übel­lau­nig – Thea­tern das Enden des inne­ren Siech­tums durch finan­zi­el­le Aus­trock­nung oder insti­tu­tio­nel­le Schlie­ßung an die Wand mene­te­kelt. Län­ge­res und inten­si­ve­res Nach­den­ken füh­ren nun dazu, die­ser düs­te­ren Visi­on zuneh­mend mehr Ein­tritts­wahr­schein­lich­keit zu attes­tie­ren. Auch wenn der Rou­ti­ne­be­trieb in den bestehen­den Häu­sern dazu ver­lei­tet, das eige­ne Wei­ter­exis­tie­ren als beque­me Selbst­ver­ständ­lich­keit anzu­se­hen: es ist dem nicht so. Aus dem Bestand lässt sich der Fort­be­stand weder fol­gern noch for­dern. Das hat meh­re­re Grün­de, die offen­sicht­lich den Thea­ter­schaf­fen­den nicht wirk­lich klar gewor­den sind. Sie wer­den erst voll­ends sicht­bar, wenn das Bestehen­de vor der Folie sei­nes Her­kom­mens betrach­tet und also in eine „his­to­ri­sche“ Erzäh­lung ein­ge­ord­net wird – ohne dass damit aller­dings Anspruch auf „die“ Geschich­te „des“ Thea­ters erho­ben würde.

Tat­säch­lich ist die deut­sche (Stadt-)Theaterlandschaft kei­ne in his­to­ri­schen Dimen­sio­nen lang exis­tie­ren­de. Jen­seits der Le Roi s’amuse Hof­thea­ter in ita­lie­ni­scher Tra­di­ti­on ent­stan­den die deut­schen Stadt­thea­ter seit dem aus­ge­hen­den 18. Und beson­ders im 19. Jahr­hun­dert als Insti­tu­tio­nen einer erstar­ken­den und immer zah­lungs­kräf­ti­ger wer­den­den Bür­ger­lich­keit, die sich Abend­un­ter­hal­tung wünsch­te. Das heißt zwei­er­lei: Thea­ter ist mit einer Form von Bür­ger­lich­keit und mit dem Inter­es­se an Abend­un­ter­hal­tung ver­bun­den. Die Thea­ter­däm­me­rung der Gegen­wart nun hat mit bei­dem zu tun. Und mit einem Dritten.

 

Das Ende des Unterhaltungstheaters

Als Thea­ter als bür­ger­li­che Abend­un­ter­hal­tung sei­nen Sie­ges­zug im 19. Jahr­hun­dert antrat, erfüllt es einen bestimm­ten Zweck: Das Stadt-Bür­ger­tum, zu Geld gekom­men, woll­te nach (sonntag)nachmittäglichem Lust­wan­deln sich auch abend­li­cher Kurz­weil hin­ge­ben. Kauf­leu­te, Beam­te, Ange­stell­te, Ärz­te, Anwäl­te und Nota­re, Grund­be­sit­zer, mitt­le­re und gro­ße Unter­neh­mer ver­lang­ten nach Mög­lich­kei­ten, das mehr oder min­der hart erar­bei­te­te Ein­kom­men in Ver­gnü­gen umzu­mün­zen. Schau­spiel, Oper, Ope­ret­te – nicht ganz frei vom Ruch des Unschick­li­chen und für unver­hei­ra­te­te Frau­en nicht Geeig­ne­ten – lock­ten das Eta­blis­se­ment an wie Mot­ten das Licht. Wenn man was erle­ben woll­te, muss­te man ins Theat­re gehen. Eine nahe­zu mono­po­lis­ti­sche Posi­ti­on in Sachen Abend­an­ge­bot, für das es nun Geld, Zeit und Inter­es­se gab.

Heu­te ist das Mono­pol gefal­len. Der Kino­film ist zum all­ge­mein akzep­tier­ten Kunst­werk gewor­den, ins Kino zu gehen ist eine kul­tu­rell akzep­tier­te Abend­tä­tig­keit, die nicht nur finan­zi­ell güns­ti­ger zu haben ist, son­dern die zudem einer Indus­trie­men­ta­li­tät näher kommt, die sich nicht auf die Über­ra­schung des Pro­dukt­kaufs auf dem Bau­ern­markt ein­lässt, son­dern indus­tri­ell pro­du­zier­te Mas­sen­wa­re wegen ihrer Garan­tier des iden­ti­schen Geschmacks kauft. Ein Film kann nicht schief gehen. Ein Film in Mün­chen ist der­sel­be wie in Ham­burg. Der Film, den der Kri­ti­ker vor drei Wochen sah der­sel­be wie heu­te. Und John » Read the rest of this entry «

Warum so viele Klassikerinszenierungen: Die Todsünden des Theaters (Antwort auf Nora Decker)

April 11th, 2011 § 3 comments § permalink

Die Schau­spiel­stu­den­tin Nora Decker hat mir eine Fra­ge gemailt, die nur auf den ers­ten Blick oft gehört und wie ein miso­thea­tra­ler Stoß­seuf­zer erscheint:

war­um wer­den sovie­le büh­nen­klas­si­ker insze­niert (shake­speare, goe­the, ibsen, usw.)?

gab es nicht eine zeit, in der stü­cke geschrie­ben u auf die büh­ne gebracht wur­den und gebrauch­te stü­cke im schrank blieben?

und wenn ja, war­um ist das nicht mehr so, war­um sieht die hit­lis­te der spiel­plä­ne so aus? :

1 Faust (Goe­the)
2 Der Gott des Gemet­zels (Reza)
3 Romeo und Julia (Shake­speare)
4 Ein Som­mer­nachts­traum (Shake­speare)
5 Kaba­le und Lie­be (Schil­ler)
6 Klamms Krieg (Hen­sel)
7 Wert­her (Goe­the)
8 Sze­nen (Lori­ot)
9 Die Räuber (Schil­ler)
10 Maria Stuart (Schil­ler)
11 Nathan der Wei­se (Les­sing)
12 Der zer­broch­ne Krug (Kleist)
13 An der Arche um acht (Hub)
14 Ham­let (Shake­speare)
15 Die Grönholm-Methode (Gal­ceran)
16 Der Men­schen­feind (Molière)
17 Ladies Night (Sinclair/McCarten)
18 Bud­den­brooks (Mann/Düffel)
19 Wer hat Angst vor Vir­gi­nia Woolf? (Albee)
20 Micha­el Kohl­haas (Kleist)

Ich fin­de die Fra­ge rele­vant. Und möch­te sie des­we­gen nicht per Mail son­der mit einem Pos­ting beantworten.

Erster Ansatz: Der Markt

Man könn­te es sich ein­fach machen und ange­bots­öko­no­misch argu­men­tie­ren: „Nun­ja, es gibt halt nicht genug Nach­schub, der insze­niert wer­den könn­te.“ Das ist kein Argu­ment: Öko­no­mi­schen Regeln fol­gend, müss­te eine Nach­fra­ge sich ein Ange­bot erschaf­fen. Übri­gens: Das tut es sogar.

Zweiter Ansatz: Der Wahrnehmungsfehler

Tat­säch­lich gab es in den letz­ten Spiel­zei­ten so vie­le Urauf­füh­run­gen wie ver­mut­lich nie in der Thea­ter­ge­schich­te zuvor (Werk­sta­tis­tik Büh­nen­ver­ein 2008/09: 609 Ur- und Erst­auf­füh­run­gen!). Also: „Wahr­neh­mung öff­nen und sehen, dass die Behaup­tung falsch ist.“

Sie ist aller­dings nicht falsch. Die von den Batt­le­group-Autoren vor­ge­tra­ge­ne Behaup­tung, es gäbe zwar einen unstill­ba­ren Hun­ger nach Urauf­füh­run­gen, die zumeist von Jung­re­gis­seu­ren auf Werk­statt­büh­nen ver­heizt wür­den, trifft zu. Und sie ändert nichts an der Situa­ti­on, dass unter dem Deck­män­tel­chen des „Wir spie­len ja Neu­es“ tat­säch­lich eine basalt­e­ne Grund­struk­tur der Klas­si­ker­in­sze­nie­run­gen zu fin­den ist (2008/9 wur­den ins­ge­samt 3.710 Wer­ke laut Büh­nen­ver­ein auf­ge­führt – ein Sechs­tel also nur neue Tex­te, 3.100 nicht­neue Wer­ke bei ins­ge­samt 7.090 Insze­nie­run­gen, von denen dann die „neu­en“ Stü­cke, die zumeist nur ein­mal insze­niert wer­den, gera­de ein­mal  8,6% sind), in die nur gele­gent­lich eini­ge „embedded aut­hors“, die als Dra­ma­tur­gen oder ähn­li­ches im Betrieb durch­ge­nu­delt wer­den, inte­griert sind.

Der groß­ar­ti­ge, hier (lei­der offen­bar nicht mehr) blog­gen­de Frank Kroll vom Hen­schel-Schau­spiel­ver­lag hat sich vor eini­gen Jah­ren die Mühe gemacht, die Büh­nen­ver­eins-Sta­tis­tik jen­seits des ers­ten posi­ti­ven Ein­drucks nach­zu­rech­nen und kommt zu dem Ergebnis:

Zwar ist, abso­lut be­trach­tet, die Zahl der ur- und erst­auf­ge­führ­ten Wer­ke seit Beginn der 90er Jah­re um etwa ein Drit­tel ange­stie­gen, im sel­ben Zeit­raum redu­zier­te sich die durch­schnitt­li­che Vor­stel­lungs­zahl pro Werk jedoch um ein höhe­res Maß. Immer mehr Wer­ke wer­den von den Thea­tern «ent­deckt», erle­ben dann aber immer weni­ger Auf­füh­run­gen. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit neu­er deutsch- und fremd­spra­chi­ger Dra­ma­tik sta­gniert wei­ter­hin auf einem nied­ri­gen Level. Den viel­be­schwo­re­nen «Hype» mit Neu­er Dra­ma­tik hat es nie gege­ben. Zwi­schen der Selbst­dar­stel­lung der Thea­ter und dem tat­säch­li­chen Büh­nen­ge­sche­hen besteht eine deut­li­che Dis­kre­panz. (Quel­le)

Nur weil Buch­händ­ler auch lus­ti­ge Gruß­post­kar­ten an der Kas­se ver­kau­fen wer­den sie noch lan­ge nicht zu Gruß­post­kar­ten­ge­schäf­ten. Das „Kern­ge­schäft“ der Thea­ter ist und bleibt die bis zu Erbre­chen wie­der­hol­te Klas­sik. Warum?

Dritter Ansatz: psycho-ethisch

Tat­säch­lich begrün­det sich die­ses Ver­hal­ten aus fünf künst­le­ri­schen Tod­sün­den: Faul­heit, Feig­heit, Dumm­heit, Eitel­keit und Geiz. Und zwar so: » Read the rest of this entry «

Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens

April 11th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens § permalink

Ein kur­zer Mail­wech­sel mit Oli­vi­er Garo­fa­lo bringt mich dazu, nicht nur zum Haupt­the­ma die­ses Blogs – dem Thea­ter – zurück zu keh­ren. Son­dern direkt zu fun­da­men­ta­len Fra­gen des Gegen­warts­thea­ters zu kom­men. In der Mail von Garo­fa­lo fin­det sich die­se pro­vo­kan­te Frage:

die wich­tigs­te Fra­ge ist wohl, ob der Inhalt
ver­schwin­det, weil das Publi­kum in den heu­ti­gen Zei­ten in ihrer Freizeit
nicht mit Fremd­ge­dan­ken belas­tet wer­den wol­len, oder ob beson­ders die
Schau­spiel- und Regie­schu­len nur Ästhe­tik leh­ren (weil das freie Den­ken eh
nicht bei­bring­bar ist). Wahr­schein­lich bei­des und mit­ten­drin die Kritik,
die ihre Mass­stä­be an der Kunst mes­sen und eben nicht am Inhalt.

Garo­fa­lo nimmt damit drei Betei­lig­te als poten­zi­el­le Akteu­re auf: Publi­kum, Thea­ter­schu­len und Kri­tik. Das ist inso­fern span­nend, als die Dis­kus­si­on nicht sofort Inten­dan­ten, Dra­ma­tur­gen und Regis­seu­re in den Blick und Angriff zu neh­men ver­sucht. Son­dern die Ent­ste­hungs­be­din­gun­gen einer bestimm­ten Gesamt­si­tua­ti­on auf schein­ba­re Rand­be­din­gun­gen zurück­führt – was Sinn macht.

Das Publi­kum

Ist das Publi­kum bzw. sind die Zuschau­er Akteu­re in einem Sinn, der sie mit­ver­ant­wort­lich für das Elend gegen­wär­ti­gen Thea­ters macht? Was will „das Publi­kum“? Ein gro­ßer, ein­fluss­rei­cher Teil des aktu­el­len Publi­kums for­dert offen­bar „werk­treue“ Insze­nie­run­gen von Klas­si­kern. Sie wol­len Muse­um. Iden­ti­sche Repro­duk­ti­on der eige­nen Vor­stel­lun­gen des­sen, was „die alten Meis­ter“ schrie­ben, woll­ten, vor­stell­ten. Die­se Debat­te ist nicht tot zu bekom­men. Und Thea­ter tun die­sem Publi­kum ja den Gefal­len. Man spielt die Klas­si­ker. Und wenns kei­ne » Read the rest of this entry «

Zum Begriff des Publikums — Gastbeitrag von Olivier Garofalo

April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Zum Begriff des Publikums — Gastbeitrag von Olivier Garofalo § permalink

Von Oli­vi­er Garo­fa­lo, des­sen Mas­ter-Arbeit über Sich Gesell­schaft leis­ten ich ja letz­tens ver­linkt hat­te, bekam ich den fol­gen­den Gast­bei­trag, den ich ger­ne veröffentliche.

Als Kon­su­ment des Thea­ters ist der Zuschau­er in der öko­no­mi­sier­ten Gesell­schaft das bes­te Indiz, Erfolg oder Miss­erfolg aus­zu­ma­chen. Gleich­zei­tig ist das Publi­kum auch jen­seits des Ver­kaufs­schal­ters not­wen­di­ge Bedin­gung für die Exis­tenz des Thea­ters. Anders als der Film kann das Thea­ter nicht ohne Publi­kum exis­tie­ren. Thea­ter ohne Publi­kum ist kein Thea­ter, höchs­tens eine Pro­be. Die­se Erkennt­nis, so offen­sicht­lich sie auch ist, scheint ver­ges­sen zu sein. Das Thea­ter basiert auf die­sem Dua­lis­mus : einer­seits die Künst­ler, wel­che ihr Geld damit ver­die­nen, Thea­ter zu rea­li­sie­ren und auf der ande­ren Sei­te der Zuschau­er, der sein ver­dien­tes Geld im Thea­ter wie­der aus­gibt. Damit sind die zwei Pole ein­deu­tig erkenn­bar: einer­seits der Arbei­ten­de, ande­rer­seits der Freizeitler.

Genau die­se Schwel­le ist gegen­wär­tig ein wesent­li­ches Pro­blem des Thea­ters. In einer lei­tungs­ori­en­tier­ten, öko­no­mi­sier­ten Gesell­schaft wird die freie Zeit zum Moment des sys­te­mi­schen Aus­bruchs. Kein Druck und kei­ne Ver­ant­wor­tung soll die Frei­zeit stö­ren, wes­halb ihre Gestal­tung wie­der­um kos­ten­güns­tig sein soll, denn das Gegen­teil wür­de eine finan­zi­el­le Legi­ti­ma­ti­on bedeu­ten und also Druck und » Read the rest of this entry «

Die Facebook Frage: Start einer Reihe

Februar 20th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook Frage: Start einer Reihe § permalink

Immer wie­der mal flam­men hier und da Debat­ten rund um die Pri­vat­sphä­re auf. Sei es bei Goog­le Street­view. Sei es in Sachen Face­book. Im Wesent­li­chen zei­gen sich die­se Debat­ten als erschre­ckend niveau­los. Der (zumeist aus öffent­lich-recht­li­cher Ecke) gespeis­ten Warn-Mahn-Zei­ge­fin­ger­he­be­rei tre­ten auf der ande­ren Sei­te die Neo-Hip­pies und Ver­fech­ter der Frei­en Daten­lie­be unter der Sig­le der Post Pri­va­cy ent­ge­gen. Allen gemein­sam ist dabei, dass jeder ein aus unter­schied­lichs­ten Fak­ten und Fik­tio­nen gemisch­tes eige­nes Süpp­chen kocht und dem andern mög­lichst brüh­warm über den Kopf schüt­tet – das nie­mals auf sei­ne Ingre­di­en­zi­en befragt wird. Die Lage ist – unüber­sicht­lich. Und sie ist zudem: kom­plex. Denn es tre­ten in die­sem Post­dra­ma ver­schie­de­ne „Big Play­er“ auf, die auf wun­der­sa­me Wei­se wie Kipp­fi­gu­ren ihr eige­nes Erschei­nungs­bild ändern ohne sich selbst zu ver­än­dern. Der Betrach­ter oder Beob­ach­ter beob­ach­tet sie nur jeweils verschieden.

Die Play­er sind: Der User (ver­stan­den nicht als Mensch+Internet, son­dern als Netz­mensch). Die User. Der Staat. Das Unter­neh­men – zum Bei­spiel Face­book. So sim­pel hin­ter­ein­an­der auf­ge­schlüs­selt ent­behrt das Post­dra­ma­tis Per­so­nae bereits nicht einer gewis­sen Skur­ri­li­tät. Seis drum. Die Betrach­tungs­wei­se ist nun in vie­len Tex­te eine, die im Wesent­li­chen aus ungu­ten oder sau­gu­ten Gefüh­len » Read the rest of this entry «

Das kleine psychische System – ein Märchen. Teil II

Februar 2nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Das kleine psychische System – ein Märchen. Teil II § permalink

Nach eini­gem Umse­hen stell­te jedes klei­ne psy­chi­sche Sys­tem fest, dass sein leben­di­ges Sys­tem aus­weg­los gefan­gen sei. Und so leb­te man also etwa 10 Jah­re ver­schüt­tet vor sich hin. Kei­ner ver­miss­te die klei­nen ere­mi­ti­schen psy­chi­schen Sys­te­me. Die Umwelt hat­te sie längst schon in der Wüs­te ver­lo­ren gege­ben. Und die Ere­mi­ten selbst dach­ten nicht im Träu­me dar­an, sich mit den ande­ren Ere­mi­ten im Raum zusam­men zu tun. Etwa eine ere­mi­ti­sche Gesell­schaft zu grün­den. Oder einen Ver­ein zur För­de­rung des Erem­ti­tis­mus. Oder » Read the rest of this entry «

Wenn Mammons Hammer kreist II: Theatersterben in Belanglosigkeit?

Januar 30th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Wenn Mammons Hammer kreist II: Theatersterben in Belanglosigkeit? § permalink

Och Mönsch – da waren sie doch poli­tisch so brav. Haben sich nicht wei­ter ein­ge­mischt in Poli­tik. Haben brav an der Platz­aus­nut­zung gear­bei­tet. Haben mit weni­gen Aus­nah­men die Stadt­obe­ren nicht in Erklä­rungs- oder Recht­fer­ti­gungs­not gebracht. „Poli­ti­sche“ Dimen­sio­nen hat­ten allen­falls die Etat­ver­hand­lun­gen mit dem Käm­me­rer. Das Con­trol­ling über­nahm – wie in ande­ren Wirt­schafts­be­trie­ben auch – die Füh­rung. More or less. „Poli­ti­sche“ Debat­ten im Thea­ter waren ledig­lich die For­de­run­gen, „die Poli­tik“ möge doch bit­te mehr Geld bereit­stel­len. Ganz freund­lich. Oder „kul­tur­po­li­ti­sche“ Debat­ten über die all­ge­mei­ne Wich­tich­keit von Kunst im All­ge­mei­nen. Thea­ter neben­bei im Beson­de­ren. Gehe direkt zum Käm­me­rer. Begib dich direkt dorthin.

Und dann das! Die gute Tat wird nicht belohnt. Nein. Den Thea­tern wird der Kit­tel gekürzt, bis es an die Haut geht. Man streicht hier eine Spar­te, legt dort zusam­men, schafft GmbH’s, kürzt da und dort (nacht­kri­tik hat hier eine schö­ne Chro­nik). Und die Thea­ter? Jam­mern. Schi­cken ihre Emis­sä­re zu Wup­per­ta­ler Demons­tra­tio­nen. Und – ste­hen recht allei­ne im Regen. So rich­tig mag nie­mand sich ihren Pro­tes­ten anschlie­ßen. War­um auch?

Ihr schert uns nur, wenn ihr uns rasiert!

Jahr­zehn­te­lang haben sich Thea­ter nicht dar­um geküm­mert, dass den Bewoh­nern die­ses Lan­des der Arsch finan­zi­ell rasiert wur­de. Seit Kohl’s gei­zig-mora­li­scher Wen­de, Lamb­s­dorffs Ver­neo­li­be­ra­li­sie­rung wer­den die erstrit­te­nen und erar­bei­te­ten Besitz­stän­de anders (oder gar nicht) unter den Men­schen ver­teilt. Seit Schrö­ders Agen­da wur­den die Dau­men­schrau­ben erneut ange­zo­gen. Und Mer­kels gran­dio­se Idee, plei­te­ge­hen­de Ban­ken mög­lichst von Klein­steu­er­zah­lern ret­ten zu las­sen, war nur ein kon­se­quen­ter wei­te­rer Akt. Die Thea­ter haben sich im Wesent­lich dar­um nicht geschert. Man hat­te ja doch noch so viel an Heb­bel, Tschechow, Ibsen, Strind­berg, Goe­the, Schil­ler, Les­sing, Shake­speare zu ent­de­cken – um von den gan­zen tof­fen Roma­nen ganz zu schwei­gen, die sich auf die Büh­ne brin­gen las­sen. Da bleibt natür­lich wenig Zeit, sich mit der eige­nen Zeit zu beschäf­ti­gen. War­um Hart­zIV  wenns doch auch Hen­ryIV, war­um Mer­kels Ban­ker wenns doch noch Schil­lers Räu­ber gibt? Das jeden­falls zei­gen uns die Charts des Deut­schen Büh­nen­ver­eins: » Read the rest of this entry «

Von der dramatischen Differenzgesellschaft zur Netzgesellschaft und Netzpolitik

Januar 22nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Von der dramatischen Differenzgesellschaft zur Netzgesellschaft und Netzpolitik § permalink

Oder: die Über­füh­rung von Poli­fe­renz in Dif­fe­renz und zurück

Die gele­gent­lich vor­ge­tra­ge­ne Behaup­tung, das Poli­ti­sche sei die Sphä­re des fun­da­men­ta­len Gegen­sat­zes gehört auf den Prüf­stand, ist so ein­fach nicht ste­hen zu las­sen. Letz­tens hat­te ich in Sachen Schmitt und Laclau/Mouffe ja schon dazu gepos­tet. Was mich noch nicht wirk­lich befrie­digt. Denn einer­seits ist die Dia­gno­se des grund­sätz­lich vor­han­de­nen gesell­schaft­li­chen Kon­flikts tri­vi­al im Hin­blick auf Bewe­gun­gen wie Klas­sen­kämp­fe, poli­ti­sche Wahl­kämp­fe, Apart­heid, Geschlech­ter­dis­kri­mi­nie­run­gen usw. Ande­rer­seits hal­ten die­se gene­ra­li­sier­ten Dif­fe­ren­zen einer genaue­ren Beob­ach­tung nur dann stand, wenn der Beob­ach­ter die Augen so weit zusam­men­kneift, bis er nur noch Schwarz-Weiß Unter­schie­de sieht.

Das Drit­te und die disper­sen Parteien

Nicht nur scheint regel­mä­ßig dort, wo eine Dif­fe­rent zu fin­den ist, ein aus­ge­schlos­se­nes, von der Dif­fe­renz nicht erfass­tes ter­ti­um zu geben. Sei es der Arbeits­lo­se, Beam­te oder Frei­be­ruf­ler bei Marx, der Par­ti­san im Krieg, der Nicht­wäh­ler oder die Kir­che in der Demo­kra­tie, der Homo­se­xu­el­le in der machis­ti­schen Gesell­schaft, der „Bas­tard“ in der Apart­heid und Aris­to­kra­tie usw. Son­dern viel­mehr erbringt schon das genaue­re Hin­schau­en, dass unter­halb die­ser Dif­fe­ren­zen wie­der­um eine Viel­zahl von Strö­mun­gen und Abschat­tun­gen vor­lie­gen, die inner­halb einer jeden Par­tei wie­der­um für unter­schied­li­che Strö­mun­gen (also Unter­tei­lun­gen) sor­gen, die mit­un­ter inner­par­tei­lich weni­ger Zusam­men­halt haben, als mit benach­bar­ten Strö­mun­gen der „Geg­ner“. Was aller­dings sich wie­der­um in selbst­ähn­li­chen Sub­dif­fe­ren­zie­run­gen in die Tie­fe hin­ab führt bis hin zu klei­nen Freun­des- oder Inter­es­sen­krei­sen. Und zeigt, dass die bei­den Sei­ten der Dif­fe­renz alles ande­re als homo­ge­ne Ein­hei­ten sind – es sei denn, sie wür­den mit Gewalt homo­ge­ni­siert (und gar uniformisiert).

Mau­rice Gau­chet: Tei­lung und Totalitarismus

Zufäl­li­ger­wei­se bin ich beim Her­um­le­sen in Lefort-Tex­ten in einem Rea­der-Bei­trag gelan­det, von dem ich annahm (Lese­feh­ler­halb­er) er sei von Lefort, zudem er sich weit­ge­hend auch so „anfühlt“. Je wei­ter ich damit kam, des­to mehr hat der Text elek­tri­siert. Es han­delt sich um Mau­rice Gau­chets  Die Tota­li­tä­re Erfah­rung und das Den­ken des Poli­ti­schen (hier ent­hal­ten). Ich habe noch nie von Gau­chet, einem Schü­ler von Lefort und Cas­to­ria­dis gehört. Aber nach dem Arti­kel scheint das ein Feh­ler zu sein. Zunächst beginnt er damit zu zei­gen, wie der Traum von der Homo­ge­ni­sie­rung der Tei­lung in den Tota­li­ta­ris­mus führt, der selbst wie­der­um eine Tei­lung (wider Wil­len) hervorbringt.

Gau­chet pos­tu­liert die „Not­wen­dig­keit, die Gesell­schaft von ihrer Tei­lung aus zu den­ken“ (209) und attes­tiert Marx einen blin­den Fleck in dem „Pos­tu­lat des sekun­dä­ren und auf­lös­ba­ren Cha­rak­ters der gesell­schaft­li­chen Tei­lung“ (210). Er hält dage­gen, dass ein sol­cher Staat ohne gesell­schaft­li­che Tei­lung ein tota­li­tä­rer Staat sein muss, der gewalt­tä­tig für die Homo­ge­ni­sie­rung sorgt (und man kann hin­zu­fü­gen: der die Tei­lung ledig­lich stra­ti­fi­ziert, indem er Herr­schen­de und Beherrsch­te teilt wie in der DDR). Das leuch­tet ein:

[Der Tota­li­ta­ris­mus] trägt das Schei­tern als Bedin­gung sei­ner Durch­set­zung in sich, inso­fern er sich nur durch das hin­durch her­stellt, was ihm » Read the rest of this entry «

Berlin 21.–23.1. Gorki-Theater und Der Freitag: “Der Teilhabekapitalismus und sein Ende”

Januar 17th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Berlin 21.–23.1. Gorki-Theater und Der Freitag: “Der Teilhabekapitalismus und sein Ende” § permalink

Ich wollt, ich wär ein Ber­li­ner: dann wäre ich am 21. bis 23. Janu­ar im Maxim Gor­ki Thea­ter zu fin­den, das zusam­men mit dem Frei­tag dann ein Spe­cial “mass­nah­men gesell­schaft­li­cher teil­ha­be” ver­an­stal­tet. Unter ande­rem mit Oskar Negt (The­ma: Zei­ten des Zorns. Der neue Pro­test und die deut­sche Demo­kra­tie”) und Vor­trä­gen und Dis­kus­sio­nen zu dem The­ma “Der Teil­ha­be­ka­pi­ta­lis­mus und sein Ende”. Zudem ein Kon­zert “The John­ny Cash Song­book” und die Insze­nie­rung von Stein­becks “Früch­ten des Zorns”. Wär ich ein Ber­li­ner — ich wär da. Bin ich aber lei­der nicht. Schade.

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