Mai 18th, 2011 § § permalink
Im vorherigen Posting habe ich darzulegen versucht, in welcher Weise Theater seinen Stellenwert als nahezu monoploistischer Anbieter von Abendunterhaltung einbüßte. Jetzt will ich versuchen zu zeigen, wie das Theater auch seine Funktion als Konstituent einer städtischen Bürgergesellschaft einbüßte.
Das Ende des Bürgertheaters
Theater war für das entstehende Besitzbürgertum des 19. Jahrhunderts zugleich der Ort, sich repräsentativ auszustellen und den eigenen Wohlstand unter Seinesgleichen zu zeigen. Wie zuvor der Adel sich bei Festivitäten in Gala warf und sich zeigte (ohne dass dabei unbedingt der Besitz zum ausschlaggebenden Repräsentationsfaktor wurde), so zeigt sich nunmehr das Bürgertum, der kleine und mittlere Finanzadel seinesgleichen und repräsentiert den eigenen Wohlstand in vergleichbaren Kreisen. Während sich zuvor lokale Gemeinschaften in Kirchgemeinden, auf Volksfesten, auf Märkten und anderen öffentlichen Versammlungsorten konstituierten, konstituierte sich nunmehr innerhalb der städtischen Gesellschaft eine Groß- und später auch Kleinbürger- und Arbeitergesellschaft im Theater.
Wiederbeschworen als verlorenes Ideal nach der 48er-Revolution, wird das Volksstück zum identifikatorischen Symbol einer entstehenden urbanen » Read the rest of this entry «
Mai 17th, 2011 § § permalink
Die letzten Jahre haben verschiedene Wirtschaftszweige enorm durchgeschüttelt. Traditionsunternehmen mit veralteten Geschäftsmodellen sind an den Abgrund getaumelt oder abgestürzt. Wir befinden uns in einer Zeit rasanten Wandels. Dies vorweg zu bemerken soll nicht dahin führen, Theater als Wirtschaftsunternehmen zu bestimmen. Es soll lediglich die Umbruchsituation bestimmen, in der es Theater zu betrachten gilt.
Letztens hatte ich – etwas übellaunig – Theatern das Enden des inneren Siechtums durch finanzielle Austrocknung oder institutionelle Schließung an die Wand menetekelt. Längeres und intensiveres Nachdenken führen nun dazu, dieser düsteren Vision zunehmend mehr Eintrittswahrscheinlichkeit zu attestieren. Auch wenn der Routinebetrieb in den bestehenden Häusern dazu verleitet, das eigene Weiterexistieren als bequeme Selbstverständlichkeit anzusehen: es ist dem nicht so. Aus dem Bestand lässt sich der Fortbestand weder folgern noch fordern. Das hat mehrere Gründe, die offensichtlich den Theaterschaffenden nicht wirklich klar geworden sind. Sie werden erst vollends sichtbar, wenn das Bestehende vor der Folie seines Herkommens betrachtet und also in eine „historische“ Erzählung eingeordnet wird – ohne dass damit allerdings Anspruch auf „die“ Geschichte „des“ Theaters erhoben würde.
Tatsächlich ist die deutsche (Stadt-)Theaterlandschaft keine in historischen Dimensionen lang existierende. Jenseits der Le Roi s’amuse Hoftheater in italienischer Tradition entstanden die deutschen Stadttheater seit dem ausgehenden 18. Und besonders im 19. Jahrhundert als Institutionen einer erstarkenden und immer zahlungskräftiger werdenden Bürgerlichkeit, die sich Abendunterhaltung wünschte. Das heißt zweierlei: Theater ist mit einer Form von Bürgerlichkeit und mit dem Interesse an Abendunterhaltung verbunden. Die Theaterdämmerung der Gegenwart nun hat mit beidem zu tun. Und mit einem Dritten.
Das Ende des Unterhaltungstheaters
Als Theater als bürgerliche Abendunterhaltung seinen Siegeszug im 19. Jahrhundert antrat, erfüllt es einen bestimmten Zweck: Das Stadt-Bürgertum, zu Geld gekommen, wollte nach (sonntag)nachmittäglichem Lustwandeln sich auch abendlicher Kurzweil hingeben. Kaufleute, Beamte, Angestellte, Ärzte, Anwälte und Notare, Grundbesitzer, mittlere und große Unternehmer verlangten nach Möglichkeiten, das mehr oder minder hart erarbeitete Einkommen in Vergnügen umzumünzen. Schauspiel, Oper, Operette – nicht ganz frei vom Ruch des Unschicklichen und für unverheiratete Frauen nicht Geeigneten – lockten das Etablissement an wie Motten das Licht. Wenn man was erleben wollte, musste man ins Theatre gehen. Eine nahezu monopolistische Position in Sachen Abendangebot, für das es nun Geld, Zeit und Interesse gab.
Heute ist das Monopol gefallen. Der Kinofilm ist zum allgemein akzeptierten Kunstwerk geworden, ins Kino zu gehen ist eine kulturell akzeptierte Abendtätigkeit, die nicht nur finanziell günstiger zu haben ist, sondern die zudem einer Industriementalität näher kommt, die sich nicht auf die Überraschung des Produktkaufs auf dem Bauernmarkt einlässt, sondern industriell produzierte Massenware wegen ihrer Garantier des identischen Geschmacks kauft. Ein Film kann nicht schief gehen. Ein Film in München ist derselbe wie in Hamburg. Der Film, den der Kritiker vor drei Wochen sah derselbe wie heute. Und John » Read the rest of this entry «
April 11th, 2011 § § permalink
Die Schauspielstudentin Nora Decker hat mir eine Frage gemailt, die nur auf den ersten Blick oft gehört und wie ein misotheatraler Stoßseufzer erscheint:
warum werden soviele bühnenklassiker inszeniert (shakespeare, goethe, ibsen, usw.)?
gab es nicht eine zeit, in der stücke geschrieben u auf die bühne gebracht wurden und gebrauchte stücke im schrank blieben?
und wenn ja, warum ist das nicht mehr so, warum sieht die hitliste der spielpläne so aus? :
1 Faust (Goethe)
2 Der Gott des Gemetzels (Reza)
3 Romeo und Julia (Shakespeare)
4 Ein Sommernachtstraum (Shakespeare)
5 Kabale und Liebe (Schiller)
6 Klamms Krieg (Hensel)
7 Werther (Goethe)
8 Szenen (Loriot)
9 Die Räuber (Schiller)
10 Maria Stuart (Schiller)
11 Nathan der Weise (Lessing)
12 Der zerbrochne Krug (Kleist)
13 An der Arche um acht (Hub)
14 Hamlet (Shakespeare)
15 Die Grönholm-Methode (Galceran)
16 Der Menschenfeind (Molière)
17 Ladies Night (Sinclair/McCarten)
18 Buddenbrooks (Mann/Düffel)
19 Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (Albee)
20 Michael Kohlhaas (Kleist)
Ich finde die Frage relevant. Und möchte sie deswegen nicht per Mail sonder mit einem Posting beantworten.
Erster Ansatz: Der Markt
Man könnte es sich einfach machen und angebotsökonomisch argumentieren: „Nunja, es gibt halt nicht genug Nachschub, der inszeniert werden könnte.“ Das ist kein Argument: Ökonomischen Regeln folgend, müsste eine Nachfrage sich ein Angebot erschaffen. Übrigens: Das tut es sogar.
Zweiter Ansatz: Der Wahrnehmungsfehler
Tatsächlich gab es in den letzten Spielzeiten so viele Uraufführungen wie vermutlich nie in der Theatergeschichte zuvor (Werkstatistik Bühnenverein 2008/09: 609 Ur- und Erstaufführungen!). Also: „Wahrnehmung öffnen und sehen, dass die Behauptung falsch ist.“
Sie ist allerdings nicht falsch. Die von den Battlegroup-Autoren vorgetragene Behauptung, es gäbe zwar einen unstillbaren Hunger nach Uraufführungen, die zumeist von Jungregisseuren auf Werkstattbühnen verheizt würden, trifft zu. Und sie ändert nichts an der Situation, dass unter dem Deckmäntelchen des „Wir spielen ja Neues“ tatsächlich eine basaltene Grundstruktur der Klassikerinszenierungen zu finden ist (2008/9 wurden insgesamt 3.710 Werke laut Bühnenverein aufgeführt – ein Sechstel also nur neue Texte, 3.100 nichtneue Werke bei insgesamt 7.090 Inszenierungen, von denen dann die „neuen“ Stücke, die zumeist nur einmal inszeniert werden, gerade einmal 8,6% sind), in die nur gelegentlich einige „embedded authors“, die als Dramaturgen oder ähnliches im Betrieb durchgenudelt werden, integriert sind.
Der großartige, hier (leider offenbar nicht mehr) bloggende Frank Kroll vom Henschel-Schauspielverlag hat sich vor einigen Jahren die Mühe gemacht, die Bühnenvereins-Statistik jenseits des ersten positiven Eindrucks nachzurechnen und kommt zu dem Ergebnis:
Zwar ist, absolut betrachtet, die Zahl der ur- und erstaufgeführten Werke seit Beginn der 90er Jahre um etwa ein Drittel angestiegen, im selben Zeitraum reduzierte sich die durchschnittliche Vorstellungszahl pro Werk jedoch um ein höheres Maß. Immer mehr Werke werden von den Theatern «entdeckt», erleben dann aber immer weniger Aufführungen. Die Auseinandersetzung mit neuer deutsch- und fremdsprachiger Dramatik stagniert weiterhin auf einem niedrigen Level. Den vielbeschworenen «Hype» mit Neuer Dramatik hat es nie gegeben. Zwischen der Selbstdarstellung der Theater und dem tatsächlichen Bühnengeschehen besteht eine deutliche Diskrepanz. (Quelle)
Nur weil Buchhändler auch lustige Grußpostkarten an der Kasse verkaufen werden sie noch lange nicht zu Grußpostkartengeschäften. Das „Kerngeschäft“ der Theater ist und bleibt die bis zu Erbrechen wiederholte Klassik. Warum?
Dritter Ansatz: psycho-ethisch
Tatsächlich begründet sich dieses Verhalten aus fünf künstlerischen Todsünden: Faulheit, Feigheit, Dummheit, Eitelkeit und Geiz. Und zwar so: » Read the rest of this entry «
April 11th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens § permalink
Ein kurzer Mailwechsel mit Olivier Garofalo bringt mich dazu, nicht nur zum Hauptthema dieses Blogs – dem Theater – zurück zu kehren. Sondern direkt zu fundamentalen Fragen des Gegenwartstheaters zu kommen. In der Mail von Garofalo findet sich diese provokante Frage:
die wichtigste Frage ist wohl, ob der Inhalt
verschwindet, weil das Publikum in den heutigen Zeiten in ihrer Freizeit
nicht mit Fremdgedanken belastet werden wollen, oder ob besonders die
Schauspiel- und Regieschulen nur Ästhetik lehren (weil das freie Denken eh
nicht beibringbar ist). Wahrscheinlich beides und mittendrin die Kritik,
die ihre Massstäbe an der Kunst messen und eben nicht am Inhalt.
Garofalo nimmt damit drei Beteiligte als potenzielle Akteure auf: Publikum, Theaterschulen und Kritik. Das ist insofern spannend, als die Diskussion nicht sofort Intendanten, Dramaturgen und Regisseure in den Blick und Angriff zu nehmen versucht. Sondern die Entstehungsbedingungen einer bestimmten Gesamtsituation auf scheinbare Randbedingungen zurückführt – was Sinn macht.
Das Publikum
Ist das Publikum bzw. sind die Zuschauer Akteure in einem Sinn, der sie mitverantwortlich für das Elend gegenwärtigen Theaters macht? Was will „das Publikum“? Ein großer, einflussreicher Teil des aktuellen Publikums fordert offenbar „werktreue“ Inszenierungen von Klassikern. Sie wollen Museum. Identische Reproduktion der eigenen Vorstellungen dessen, was „die alten Meister“ schrieben, wollten, vorstellten. Diese Debatte ist nicht tot zu bekommen. Und Theater tun diesem Publikum ja den Gefallen. Man spielt die Klassiker. Und wenns keine » Read the rest of this entry «
April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Zum Begriff des Publikums — Gastbeitrag von Olivier Garofalo § permalink
Von Olivier Garofalo, dessen Master-Arbeit über Sich Gesellschaft leisten ich ja letztens verlinkt hatte, bekam ich den folgenden Gastbeitrag, den ich gerne veröffentliche.
Als Konsument des Theaters ist der Zuschauer in der ökonomisierten Gesellschaft das beste Indiz, Erfolg oder Misserfolg auszumachen. Gleichzeitig ist das Publikum auch jenseits des Verkaufsschalters notwendige Bedingung für die Existenz des Theaters. Anders als der Film kann das Theater nicht ohne Publikum existieren. Theater ohne Publikum ist kein Theater, höchstens eine Probe. Diese Erkenntnis, so offensichtlich sie auch ist, scheint vergessen zu sein. Das Theater basiert auf diesem Dualismus : einerseits die Künstler, welche ihr Geld damit verdienen, Theater zu realisieren und auf der anderen Seite der Zuschauer, der sein verdientes Geld im Theater wieder ausgibt. Damit sind die zwei Pole eindeutig erkennbar: einerseits der Arbeitende, andererseits der Freizeitler.
Genau diese Schwelle ist gegenwärtig ein wesentliches Problem des Theaters. In einer leitungsorientierten, ökonomisierten Gesellschaft wird die freie Zeit zum Moment des systemischen Ausbruchs. Kein Druck und keine Verantwortung soll die Freizeit stören, weshalb ihre Gestaltung wiederum kostengünstig sein soll, denn das Gegenteil würde eine finanzielle Legitimation bedeuten und also Druck und » Read the rest of this entry «
Februar 20th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook Frage: Start einer Reihe § permalink
Immer wieder mal flammen hier und da Debatten rund um die Privatsphäre auf. Sei es bei Google Streetview. Sei es in Sachen Facebook. Im Wesentlichen zeigen sich diese Debatten als erschreckend niveaulos. Der (zumeist aus öffentlich-rechtlicher Ecke) gespeisten Warn-Mahn-Zeigefingerheberei treten auf der anderen Seite die Neo-Hippies und Verfechter der Freien Datenliebe unter der Sigle der Post Privacy entgegen. Allen gemeinsam ist dabei, dass jeder ein aus unterschiedlichsten Fakten und Fiktionen gemischtes eigenes Süppchen kocht und dem andern möglichst brühwarm über den Kopf schüttet – das niemals auf seine Ingredienzien befragt wird. Die Lage ist – unübersichtlich. Und sie ist zudem: komplex. Denn es treten in diesem Postdrama verschiedene „Big Player“ auf, die auf wundersame Weise wie Kippfiguren ihr eigenes Erscheinungsbild ändern ohne sich selbst zu verändern. Der Betrachter oder Beobachter beobachtet sie nur jeweils verschieden.
Die Player sind: Der User (verstanden nicht als Mensch+Internet, sondern als Netzmensch). Die User. Der Staat. Das Unternehmen – zum Beispiel Facebook. So simpel hintereinander aufgeschlüsselt entbehrt das Postdramatis Personae bereits nicht einer gewissen Skurrilität. Seis drum. Die Betrachtungsweise ist nun in vielen Texte eine, die im Wesentlichen aus unguten oder sauguten Gefühlen » Read the rest of this entry «
Februar 2nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Das kleine psychische System – ein Märchen. Teil II § permalink
Nach einigem Umsehen stellte jedes kleine psychische System fest, dass sein lebendiges System ausweglos gefangen sei. Und so lebte man also etwa 10 Jahre verschüttet vor sich hin. Keiner vermisste die kleinen eremitischen psychischen Systeme. Die Umwelt hatte sie längst schon in der Wüste verloren gegeben. Und die Eremiten selbst dachten nicht im Träume daran, sich mit den anderen Eremiten im Raum zusammen zu tun. Etwa eine eremitische Gesellschaft zu gründen. Oder einen Verein zur Förderung des Eremtitismus. Oder » Read the rest of this entry «
Januar 30th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Wenn Mammons Hammer kreist II: Theatersterben in Belanglosigkeit? § permalink
Och Mönsch – da waren sie doch politisch so brav. Haben sich nicht weiter eingemischt in Politik. Haben brav an der Platzausnutzung gearbeitet. Haben mit wenigen Ausnahmen die Stadtoberen nicht in Erklärungs- oder Rechtfertigungsnot gebracht. „Politische“ Dimensionen hatten allenfalls die Etatverhandlungen mit dem Kämmerer. Das Controlling übernahm – wie in anderen Wirtschaftsbetrieben auch – die Führung. More or less. „Politische“ Debatten im Theater waren lediglich die Forderungen, „die Politik“ möge doch bitte mehr Geld bereitstellen. Ganz freundlich. Oder „kulturpolitische“ Debatten über die allgemeine Wichtichkeit von Kunst im Allgemeinen. Theater nebenbei im Besonderen. Gehe direkt zum Kämmerer. Begib dich direkt dorthin.
Und dann das! Die gute Tat wird nicht belohnt. Nein. Den Theatern wird der Kittel gekürzt, bis es an die Haut geht. Man streicht hier eine Sparte, legt dort zusammen, schafft GmbH’s, kürzt da und dort (nachtkritik hat hier eine schöne Chronik). Und die Theater? Jammern. Schicken ihre Emissäre zu Wuppertaler Demonstrationen. Und – stehen recht alleine im Regen. So richtig mag niemand sich ihren Protesten anschließen. Warum auch?
Ihr schert uns nur, wenn ihr uns rasiert!
Jahrzehntelang haben sich Theater nicht darum gekümmert, dass den Bewohnern dieses Landes der Arsch finanziell rasiert wurde. Seit Kohl’s geizig-moralischer Wende, Lambsdorffs Verneoliberalisierung werden die erstrittenen und erarbeiteten Besitzstände anders (oder gar nicht) unter den Menschen verteilt. Seit Schröders Agenda wurden die Daumenschrauben erneut angezogen. Und Merkels grandiose Idee, pleitegehende Banken möglichst von Kleinsteuerzahlern retten zu lassen, war nur ein konsequenter weiterer Akt. Die Theater haben sich im Wesentlich darum nicht geschert. Man hatte ja doch noch so viel an Hebbel, Tschechow, Ibsen, Strindberg, Goethe, Schiller, Lessing, Shakespeare zu entdecken – um von den ganzen toffen Romanen ganz zu schweigen, die sich auf die Bühne bringen lassen. Da bleibt natürlich wenig Zeit, sich mit der eigenen Zeit zu beschäftigen. Warum HartzIV wenns doch auch HenryIV, warum Merkels Banker wenns doch noch Schillers Räuber gibt? Das jedenfalls zeigen uns die Charts des Deutschen Bühnenvereins: » Read the rest of this entry «
Januar 22nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Von der dramatischen Differenzgesellschaft zur Netzgesellschaft und Netzpolitik § permalink
Oder: die Überführung von Poliferenz in Differenz und zurück
Die gelegentlich vorgetragene Behauptung, das Politische sei die Sphäre des fundamentalen Gegensatzes gehört auf den Prüfstand, ist so einfach nicht stehen zu lassen. Letztens hatte ich in Sachen Schmitt und Laclau/Mouffe ja schon dazu gepostet. Was mich noch nicht wirklich befriedigt. Denn einerseits ist die Diagnose des grundsätzlich vorhandenen gesellschaftlichen Konflikts trivial im Hinblick auf Bewegungen wie Klassenkämpfe, politische Wahlkämpfe, Apartheid, Geschlechterdiskriminierungen usw. Andererseits halten diese generalisierten Differenzen einer genaueren Beobachtung nur dann stand, wenn der Beobachter die Augen so weit zusammenkneift, bis er nur noch Schwarz-Weiß Unterschiede sieht.
Das Dritte und die dispersen Parteien
Nicht nur scheint regelmäßig dort, wo eine Different zu finden ist, ein ausgeschlossenes, von der Differenz nicht erfasstes tertium zu geben. Sei es der Arbeitslose, Beamte oder Freiberufler bei Marx, der Partisan im Krieg, der Nichtwähler oder die Kirche in der Demokratie, der Homosexuelle in der machistischen Gesellschaft, der „Bastard“ in der Apartheid und Aristokratie usw. Sondern vielmehr erbringt schon das genauere Hinschauen, dass unterhalb dieser Differenzen wiederum eine Vielzahl von Strömungen und Abschattungen vorliegen, die innerhalb einer jeden Partei wiederum für unterschiedliche Strömungen (also Unterteilungen) sorgen, die mitunter innerparteilich weniger Zusammenhalt haben, als mit benachbarten Strömungen der „Gegner“. Was allerdings sich wiederum in selbstähnlichen Subdifferenzierungen in die Tiefe hinab führt bis hin zu kleinen Freundes- oder Interessenkreisen. Und zeigt, dass die beiden Seiten der Differenz alles andere als homogene Einheiten sind – es sei denn, sie würden mit Gewalt homogenisiert (und gar uniformisiert).
Maurice Gauchet: Teilung und Totalitarismus
Zufälligerweise bin ich beim Herumlesen in Lefort-Texten in einem Reader-Beitrag gelandet, von dem ich annahm (Lesefehlerhalber) er sei von Lefort, zudem er sich weitgehend auch so „anfühlt“. Je weiter ich damit kam, desto mehr hat der Text elektrisiert. Es handelt sich um Maurice Gauchets Die Totalitäre Erfahrung und das Denken des Politischen (hier enthalten). Ich habe noch nie von Gauchet, einem Schüler von Lefort und Castoriadis gehört. Aber nach dem Artikel scheint das ein Fehler zu sein. Zunächst beginnt er damit zu zeigen, wie der Traum von der Homogenisierung der Teilung in den Totalitarismus führt, der selbst wiederum eine Teilung (wider Willen) hervorbringt.
Gauchet postuliert die „Notwendigkeit, die Gesellschaft von ihrer Teilung aus zu denken“ (209) und attestiert Marx einen blinden Fleck in dem „Postulat des sekundären und auflösbaren Charakters der gesellschaftlichen Teilung“ (210). Er hält dagegen, dass ein solcher Staat ohne gesellschaftliche Teilung ein totalitärer Staat sein muss, der gewalttätig für die Homogenisierung sorgt (und man kann hinzufügen: der die Teilung lediglich stratifiziert, indem er Herrschende und Beherrschte teilt wie in der DDR). Das leuchtet ein:
[Der Totalitarismus] trägt das Scheitern als Bedingung seiner Durchsetzung in sich, insofern er sich nur durch das hindurch herstellt, was ihm » Read the rest of this entry «
Januar 17th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Berlin 21.–23.1. Gorki-Theater und Der Freitag: “Der Teilhabekapitalismus und sein Ende” § permalink
Ich wollt, ich wär ein Berliner: dann wäre ich am 21. bis 23. Januar im Maxim Gorki Theater zu finden, das zusammen mit dem Freitag dann ein Special “massnahmen gesellschaftlicher teilhabe” veranstaltet. Unter anderem mit Oskar Negt (Thema: Zeiten des Zorns. Der neue Protest und die deutsche Demokratie”) und Vorträgen und Diskussionen zu dem Thema “Der Teilhabekapitalismus und sein Ende”. Zudem ein Konzert “The Johnny Cash Songbook” und die Inszenierung von Steinbecks “Früchten des Zorns”. Wär ich ein Berliner — ich wär da. Bin ich aber leider nicht. Schade.